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Aus eigener Kraft gestalten
Gespräch mit Direktor DI Hubert Lutnik, HTL Klagenfurt Mössingerstraße

„Mir genügt es nicht nur, Direktor einer Schule zu sein, ich möchte eine besonders gute und innovative Schule leiten.“
Direktor Hubert Lutnik
Herr Direktor Lutnik, Sie sind seit fast 10 Jahren Garant für kompetente Schulleitung, innovative Konzepte und effiziente Umsetzung kreativer Ideen. Welche Projekte haben Sie an Ihrer Schule bereits schulautonom und erfolgreich implementiert?
Da fällt mir sofort die vorzeitige Einführung der zentralen, standardisierten Reife- und Diplomprüfung ein. Die HTL Mössingerstraße war eine jener drei HTLs bundesweit, die als Pilotschule diese neue Form der RDP ein Schuljahr früher als Restösterreich angewendet hat. Die Ausgangssituation war sehr herausfordernd: Das mediale Umfeld war eher negativ, die Lehrergewerkschaft hat Stimmung gegen das Projekt gemacht und auch die Schülerinnen und Schüler hatten große Ängste. Die Strategie war, zunächst die Schülerinnen und Schüler für dieses Vorhaben zu gewinnen. Wir haben sehr viele Informationsveranstaltungen durchgeführt, auch große mit Vortragenden aus dem Bildungsministerium, dem Bifie und dem Landesschulrat. Hier hatte ich volle Rückendeckung durch den Amtsführenden Präsidenten Altersberger. Außerdem bin ich persönlich durch alle Klassen gegangen und habe mich den oft kritischen Fragen und Ängsten der Schülerinnen und Schüler gestellt. Wir haben dann eine geheime Abstimmung durchgeführt und zwei Drittel der Schüler haben schließlich dem Wagnis zugestimmt. Mit so einem überzeugenden SchülerInnenvotum war es dann nur noch eine Kleinigkeit, auch die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern für das Projekt zu gewinnen und einen entsprechenden Schulgemeinschaftsausschussbeschluss zu bewirken. Nach dem erfolgreichen Umstieg auf die neue RDP waren alle froh, sich getraut zu haben und niemand hätte mehr zur alten Form zurückkehren wollen.
Welche neue Möglichkeiten und welchen Mehrwert für Ihre Schule sehen Sie nun im Autonomiepaket und in der Bildungsreform?
Ein wichtiger Punkt des Schulautonomiepaketes werden für uns die erweiterten Möglichkeiten bei der schulautonomen Lehrplangestaltung sein. Wer weiß, wie Lehrpläne erstellt werden, weiß auch, dass so ein Lehrplan immer ein gesamtösterreichweiter Kompromiss ist, der die regionalen Erfordernisse nicht berücksichtigen kann. Kärnten hat hier eine ganze andere industrielle und gewerbliche Szenerie wie etwa Wien oder Oberösterreich. Da wir uns als HTL als Bildungsdienstleister für die Region verstehen, ist ein erweiterter Spielraum bei der Gestaltung unseres Bildungsangebotes essentiell für die zielgerichtete bildungsmäßige Versorgung unserer Region.
Auch gegenüber den technologischen Herausforderungen müssen wir uns immer wieder neu positionieren, um Lösungen für die Zukunft anbieten zu können. Als Schlagworte sind hier die Begriffe „Industrie 4.0“ oder „Internet of Things“ in aller Munde, bei denen es um die Digitalisierung und Automatisierung der Arbeitswelt und unseres Lebens geht. Hier sind wir von unserem Grundausbildungsangebot her sehr gut aufgestellt und werden dieses weiterhin schulautonom auf die konkreten Bedürfnisse der regionalen Wirtschaft ausrichten.
Die neueste Studie der IV-Kärnten zu diesem Thema und zum Fachkräftebedarf wird ebenfalls eingearbeitet werden. Wir wollen uns jedenfalls in der Schulautonomie auch vermehrt den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts zuwenden.
Wie gelingt es Ihnen, an Ihrer Schule eine positive Stimmung für die Schulautonomie zu schaffen und alle Beteiligten motiviert ins Boot zu holen?
Zunächst bin ich davon überzeugt, dass die KollegInnenschaft an einer technischen Schule wie unserer HTL Mössingerstrasse Innovation gegenüber generell sehr aufgeschlossen ist. Die Technik entwickelt sich ja ständig weiter und dies färbt auch auf die Grundeinstellung der Kolleginnen und Kollegen ab. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie ich als Schulleiter vor die KollegInnenschaft hintrete: Spreche ich von einem notwendigen Übel oder entwickle ich eine Vision der Chancen, die sich für uns auftun? Zentral ist meiner Meinung nach auch der Ort, wo Innovation stattfindet: im abgeschotteten Direktorenbüro oder unter Einbeziehung aller Betroffenen. Hier ist das anzuwendende Motto „Betroffene zu Beteiligten zu machen“. Und vielleicht gibt es da auch noch ein Quäntchen persönliches Sendungsbewusstsein und Ehrgeiz: Mir genügt es nicht nur, der Direktor einer Schule zu sein, ich möchte eine besonders gute und innovative Schule leiten.
Welche schulautonomen Vorhaben setzen Sie an der HTL Mössingerstraße bereits um?
Als ein Beispiel möchte ich hier den Englischunterricht erwähnen. In der Teilungsziffernverordnung ist die Gruppengröße ja recht kompliziert und unflexibel geregelt. In der Praxis hat dies dann aber zur Folge, dass die tatsächlichen Gruppengrößen zwischen dem Maximum von 25 und einem Minimum von 12 schwanken können. Das ist, wie ich finde, pädagogisch ungerecht. Wir haben daher in Abstimmung mit dem SGA die tatsächliche Gruppengröße Richtung Maximum harmonisiert. Die dadurch eingesparten Ressourcen sind in die flächendeckend besuchte unverbindliche Übung „English Conversation“ geflossen. Insgesamt haben nun alle SchülerInnen mehr Englischunterricht, die EnglischlehrerInnen unterrichten gleich viele Stunden wie davor und die Englischkenntnisse der SchülerInnen sind viel besser geworden, wie die RDP und die vielen Diplomarbeiten sowie Prüfungen in englischer Sprache belegen.
Welche weiteren Vorhaben planen Sie an Ihrer Schule mit den Möglichkeiten, die Ihnen das Schulautonomiepaket hinsichtlich Selbstverwaltung nun eröffnet?
Erst gestern habe ich einen Anruf vom Amtsführenden Präsidenten des Landesschulrats Kärnten Rudolf Altersberger erhalten, der mir davon berichtet hat, dass die Firma Infineon ein innovatives Bildungsprojekt mit einer völlig neuartigen HTL-Klasse, die weit weg vom Mainstream liegt, initiieren möchte und ob wir als HTL Mössingerstraße Teil dieses Projekts sein wollen. Ich habe sofort zugesagt und bin schon gespannt auf die Umsetzung, weil wir da sicher die Möglichkeiten der Schulautonomie bis an die Grenzen ausnützen werden müssen.
Egal, was auf uns zukommt, wir fühlen uns für die Herausforderungen der Zukunft mit unserem Lehrkörper und unserem Spirit gut gerüstet.
Welche Unterstützungsmechanismen brauchen Schulen wie die Ihre, die langfristig den Weg einer erfolgreichen Schulautonomie anstreben wollen?
Wir benötigen die Rückendeckung durch eine visionäre Schulaufsicht und eine flexibel reagierende Pädagogische Hochschule, um gezielte Weiterbildungsprogramme für die Lehrerinnen rasch umsetzen zu können. Alles Andere können wir aus eigener Kraft lösen.
Was können Sie abschließend Ihren KollegInnen zur erfolgreichen Umsetzung der Schulautonomie empfehlen? Was können Sie ihnen aus eigener Erfahrung raten?
Das Wichtigste ist die Einbindung der betroffenen Kolleginnen und Kollegen und eine klare Darstellung des pädagogischen Nutzens sowie der Risiken. Daraus ist dann ein offener Dialog zu entwickeln. Dem Kollegium allzu riskant erscheinende Innovationen könnten zuvor in einem kleinen Pilotversuch ausprobiert und evaluiert werden.
Herr Direktor Lutnik, ich danke für das interessante Gespräch.