Mit dem Newsletter zur Schulautonomie informieren wir Sie regelmäßig über alle Neuerungen auf dem Blog sowie über spannende Themen rund um Schulautonomie und Bildungsreform.
Die Öffnung der 50-Minuten-Einheit aus pädagogischer Sicht
Wenn man im Rahmen der Schulautonomie neue Schulentwicklungsprozesse einleiten will, muss man sich zwangsläufig auch innovativ mit der 50-Minuten-Einheit für die Unterrichtsgestaltung beschäftigen.
Wenn man weiters am Lernort Schule die modernen Lehr- und Lernformen ernst nimmt, wird man im Hinblick auf die Individualisierung der Leistungen von SchülerInnen und auf deren Potentialentwicklung auch sofort zugeben müssen, dass das rasche Aufeinanderfolgen von stakkatoartig abgehaltenen 8-10 Unterrichtseinheiten pro Schultag zu je 50 Minuten den Kriterien einer modernen Pädagogik nicht wirklich entspricht.
Wissenschaftliche Erkenntnisse umsetzen – Perspektivenwechsel vollziehen
Die Forderung, wonach eine Unterrichtsstunde 50 Minuten zu dauern hat, steht im krassen Widerspruch zum bereits langjährigen Wissen über Lernabläufe und zu den Forderungen seitens der Hirnforschung sowie der Lernpsychologie. Weiters sind bei der Zeitgestaltung auch gesundheitsförderliche Aspekte relevant. Siehe dazu u.a. die Studie des Ludiwg Boltzmann Instituts „Die zeitliche Gestaltung des Schulalltags“.
Nur mit 50-Minuten-Stunden allein kann der bildungspolitisch geforderte Perspektivenwechsel in Richtung Lernergebnisorientierung, Individualisierung, forschendes Lernen und Kompetenzorientierung nicht umgesetzt werden, weswegen die zukünftigen Lernprozesse anders gestaltet und im Sinne der SchülerInnen optimiert werden müssen.
Eigenverantwortung und kompetenzorientierter Unterricht
Vor allem das kompetenzorientierte Unterrichten verlangt individualisierende, didaktische Strategien und Bildungsziele in Richtung Selbstständigkeit und Mündigkeit der Lernenden, die im 50-Minuten-Takt meist nicht erreicht werden können. Kooperatives, eigenverantwortliches und offenes Lernen hilft hier mit, unsere SchülerInnen in die Lage zu versetzen, Verantwortung für ihr persönliches Lernen zu übernehmen, in Lernteams zu arbeiten sowie effektive Lernstrategien zu entwickeln und anzuwenden.
Dazu gibt es bereits auch erfolgreiche Modelle, mit Hilfe derer couragierte Schulen bereits viel beachtete Versuche in Richtung experimentelles Lernen, spannender und motivierender Unterricht, aber auch in Richtung Selbstmotivation und Methodenkompetenz, durchführen.
Aus der Praxis
Schulzentrum Ybbs: Lernsystem für Individualisierung und Potenzialentfaltung
Das Schulzentrum Ybbs etwa schafft durch sein Lernsystem „IndY“ (Individualisierung und Potentialentfaltung am Schulzentrum Ybbs) mit 20% individualisiertem Unterricht bereits erfolgreich den Transfer von den starren Unterrichtszeiten hin zu individuellen Lernzeiten und zu eigenverantwortlichem Lernen.
HAK Imst: Der individuell Maßgeschneiderte Stundenplan
Auch die HAK Imst ist mit ihrem pädagogischem Konzept „IMST“ (Individuell Maßgeschneiderter Stundenplan oder: Individualisierung mit Selbststeuerung) bereits in den Schulautonomieprozess eingetreten und verwirklicht erfolgreich und im Zusammenspiel mit dem Unterrichtsprinzip des kooperativen und offenen Lernens das Ziel, Fach- und Begabtenförderung, Peer-Learning und individuelles Coaching mit zahlreichen anderen positiven Nebenwirkungen im Unterricht einzusetzen.
BAfEP Klagenfurt: Verbesserte Schul- und Unterrichtsqualität durch Doppelstunden
Die BAfEP Klagenfurt nutzt ebenso bereits die Möglichkeit, tradierte schulische Zeitstrukturen zu verändern und den Unterricht, etwa auch durch die Umstellung auf Doppelstunden, neu zu gestalten. Diese Umstellung erfordert selbstverständlich eine Änderung der Unterrichtsgestaltung für alle Lehrpersonen und eine intensive Auseinandersetzung mit den Unterrichtsmethoden, demzufolge auch eine zusätzliche Qualitätsentwicklung an der Schule eingeleitet wurde. Die zusätzlichen Vorteile dieser Umstrukturierung (z.B. weniger Fächer an einem Unterrichtstag, aber intensivere Lernzeit durch 90-100 Minuten Unterrichtszeit pro Fach, oder Verdichtung des Stundenplans) sowie die deutlich bessere Anpassung der Unterrichtsmethoden auf lernpsychologische und bildungspolitische Forderungen brachten es mit sich, dass ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess der Schul- und Unterrichtsqualität eingeleitet werden konnte. So kam es etwa zu einer Verstärkung des schülerInnen-orientierten Unterrichts durch Gruppen- und Teamarbeiten, weil die entsprechenden Möglichkeiten zur Auswertung, Präsentation und Zusammenfassung von Lernergebnissen effektiver genutzt werden konnten. Ein weiterer Vorteil dieser geblockten Stunden ist die dadurch vereinfachte Organisation von Besuchen außerschulischer Lernorte, wie z.B. der Bibliothek oder anderer Institutionen.
HTL Villach: Eine Woche – ein Projekt
Ein ähnliches pädagogisches Konzept in Richtung Selbstlernphase konnte auch an der HTL Villach eingeleitet werden, wo die Auflösung der 50-Minuten-Stunden bereites in diversen Projekten in der Bautechnik, speziell in den Unterrichtsgegenständen Baukonstruktion und Statik, erfolgreich umgesetzt wurde. Dort sieht die schulautonome Umsetzung der zeitlichen Auflösung der Unterrichtsstunden so aus, dass das Bautechnikprojekt eine Woche dauert, mit einer Präsentation abschließt und daraufhin die Note dazu festgelegt wird. In der Woche darauf werden ausschließlich allgemeinbildende Kernkompetenzen in den Unterrichtsgegenständen Englisch, Deutsch und Mathematik unterrichtet, erarbeitet und beurteilt.
In jedem Fall ist mit Bezug auf die geplante flexible Dauer von Unterrichtseinheiten festzustellen, dass es auch im heurigen Schuljahr schon erfolgreiche pädagogische Konzepte gibt, mit denen an bestimmten Schulen zum Wohle der SchülerInnen pädagogisch sinnvolle Kürzungen oder Verlängerungen der Unterrichtsstunde durchgeführt werden.
Zukunft und Verantwortung
In Zukunft werden sich solche unterschiedlichen Nutzungen der zur Verfügung stehenden Gesamtunterrichtszeit sicherlich auch noch viel öfter im Rahmen von Selbstlernphasen, individualisierenden und eigenverantwortlichen Lernprojekten, in Team- und Beziehungsarbeit, aber auch in der Verbesserung des Arbeitsklimas an der Schule sowie der Arbeitszufriedenheit manifestieren.
Damit ist ein wesentliches Ziel der Schulautonomie erreicht, nämlich jenes, dass die LehrerInnen die Verantwortung für das Management der Lernprozesse übernehmen, die SchülerInnen jedoch die Verantwortung für ihr eigenes Lernen.