Mit dem Newsletter zur Schulautonomie informieren wir Sie regelmäßig über alle Neuerungen auf dem Blog sowie über spannende Themen rund um Schulautonomie und Bildungsreform.
Flexible Gruppenarbeit in den Lernbüros des Bildungsunternehmens NMS Pinkafeld
In der Planungsphase zur Umsetzung der Schulautonomie
Alfred Lehner: Herr Direktor Tiefengraber, Sie sind derzeit damit beschäftigt, zusammen mit Ihrem PädagogInnenteam die NMS Pinkafeld grundlegend umzugestalten. Was ist Ihre Triebfeder hierzu?
Rainer Tiefengraber: Wenn ich ehrlich sein darf, dann muss ich den Schülerschwund in den letzten Jahren als Hauptgrund und Triebfeder dafür nennen. Unsere Schule war über einen langen Zeitraum als Musikhauptschule und später dann als NMS mit musikalischem Schwerpunkt in der Region sehr bekannt und beliebt. Aufgrund dessen hat man an der Schule nicht wirklich einen Grund gesehen, das bewährte Konzept zu verändern. Während andere Neue Mittelschulen aus der Umgebung auf den Zug einer zeitgemäßen Pädagogik aufgesprungen sind, haben wir an Altbewährtem festgehalten. Obwohl die schulischen Leistungen unserer Abgänger und Abgängerinnen weiterhin gut waren, mussten wir innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes eine Halbierung der Schülerzahlen zur Kenntnis nehmen.
Mit welchen Ideen gedenken Sie nun die von Ihnen vermuteten „Versäumnisse“ zusammen mit Ihrem Team aufzuholen?
Wir arbeiten seit dem Vorjahr unter professioneller Begleitung an einem absoluten Neustart. Die Schule wurde inzwischen in ein neues pädagogisches Kleid gepackt und gleichzeitig konnte der Schule auch – unter Berücksichtigung dieses Konzeptes – durch einen Umbau ein neues Gesicht verliehen werden.
In welchem Kontext steht nun das neue pädagogische Kleid zum neu gestalteten Gesicht der Lernumgebung?
Glücklicherweise hat unser Schulerhalter auf unsere neuen pädagogischen Zugänge über den Schulumbau Rücksicht genommen und die zum Konzept passenden Lernräume geschaffen. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle einmal die Konzeptidee genauer erläutern:
Ziel der Schule ist es, Abgängern und Abgängerinnen eine Zukunftsperspektive hinsichtlich ihrer Berufswahl und ihrer persönlichen Entwicklung mitzugeben, um den Herausforderungen des auf sie zukommenden Lebens in einer globalisierten, urbanisierten und digitalen Welt gewachsen zu sein. In beruflicher Hinsicht ist hierzu vorrangig das Erkennen der individuellen Begabungen ein Teilziel, das über das Durchlaufen eines Berufsorientierungsprozesses beginnend ab der 5. Schulstufe bis zum Ende der 8. Schulstufe erreicht werden soll. Dazu benötigen wir die Hilfe von außerschulischen Experten und Expertinnen aus der Wirtschaft, die unseren Schülern und Schülerinnen, aber auch dem Lehrpersonal Realbegegnungen mit der Berufswelt ermöglichen.
Umgesetzt sollen diese Begegnungen in zwei Arbeitswelten, die als Lernbüros dienen, werden. Diese Büros wurden beim Umbau geschaffen. Ein Lernbüro ist eine didaktische Organisationsform für selbstorganisiertes Lernen, wobei Schüler und Schülerinnen in den Lernbüros Themen in Teams erarbeiten und die traditionelle Struktur in Klassen und Schulstunden zugunsten eines Lerntages aufgelöst werden. Die Schule stellt die Lernmittel bereit, die Lehrenden die zu erlernenden Themen, aber die Schüler organisieren sich dabei selbst.
In unserem Fall werden die Themen mit Betrieben abgestimmt, der Lehrplanbezug dahingehend hergestellt und in Interessens- und Begabungsgruppen aufgearbeitet.
Wie muss man sich die praktische Umsetzung vorstellen?
Auf jeden Fall projektorientiert, fächerübergreifend und jahrgangsübergreifend. Am Montag könnte der herkömmliche Unterricht in den Klassen der 5. und 7. Schulstufe aufgelöst und durch die Lernbüroarbeit ersetzt werden. Die Aufgabenstellung für die Projektarbeit könnte beispielsweise aus dem Bereich der Gastronomie kommen und lauten: „Gestalte einen Gastraum für eine private Jubiläumsfeier um und plane einen Programmvorschlag dazu.“
Nach dem Input durch den Lehrer oder Lehrerin nach Absprache mit der Expertin aus der Gastronomie sollten nun verschiedene Arbeitsgruppen nach Begabungen gebildet werden. Eine Gruppe arbeitet dann an den Einladungen, die andere entwirft die Deko, eine dritte Gruppe erstellt den Menüplan, eine weitere Gruppe erarbeitet das Musikprogramm und die letzte Gruppe setzt sich mit der Kostenrechnung auseinander. So könnten die Schüler und Schülerinnen unterschiedlich in ihrem Kompetenzfeld arbeiten und dabei von- und miteinander lernen. Kreative, sprachliche, mathematische und handwerkliche Talente arbeiten in ihrem Begabungsbereich – die Älteren unterstützen die Jüngeren usw. Dienstags gibt es das Lernbüro für die 6. und 8. Schulstufe mit derselben, oder einer anderen Aufgabenstellung. An den anderen Tagen findet der Unterricht in den Klassen statt – abwechselnd traditionell und nach kooperativen Lernmethoden.
Klingt äußerst spannend und interessant. Sind schon Zuwächse in der Qualitätsentwicklung in dieser Art von Unterricht bemerkbar?
[Lacht] Nein, ganz und gar nicht – wir sind erst in der Vorbereitung und das Konzept ist vorerst einmal als Idee präsent und erst in der Entwicklung. Aber wir nehmen uns ganz bewusst Zeit dafür, um im Schuljahr 2018/19 damit starten zu können. Das Autonomiepaket mit seinen gesetzlichen Rahmenbedingungen spielt uns dabei günstig in die Karten.
Derzeit sind wir dabei, uns als Team auf die herankommenden Aufgaben innerhalb der Zielsetzung vorzubereiten. Kooperatives Lernen als Methode muss erst einmal in den Unterricht Einzug halten, eigenverantwortliches und selbstständiges Lernen bedarf einer Lernbegleitung, die sich vom bisherigen Lehrerbild unterscheidet. Wir arbeiten gegenwärtig unseren Entwicklungsplan dahingehend auf, sind aber gut auf dem Weg. Die Lernbüros müssen noch mit Unterrichtsmaterial befüllt werden, die Lehrfächerverteilung und Stundenaufteilung neu gedacht werden – jede Menge Arbeit noch. Aber wir haben ja noch ein halbes Jahr Zeit zum Üben.
Vielen Dank für das Gespräch und gutes Gelingen in der Umsetzung dieser tollen Ideen!
