Mit dem Newsletter zur Schulautonomie informieren wir Sie regelmäßig über alle Neuerungen auf dem Blog sowie über spannende Themen rund um Schulautonomie und Bildungsreform.
Der frühe Vogel fängt den Wurm – auch wenn er noch müde ist?!
Das Thema Öffnungszeiten beschäftigt die Schullandschaft schon seit geraumer Zeit. In die Debatte miteinbezogen sind Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen, Infrastrukturverantwortliche, sowie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – hier im Speziellen Hirn- und Schlafforscherinnen und -forscher.
Während die Eltern aufgrund ihrer beruflichen Herausforderungen vermehrt eine frühere Beaufsichtigung ihrer Kinder an den Schulen fordern, plädiert die Wissenschaft für einen späteren Unterrichtsbeginn. Zudem ist bei den Überlegungen hinsichtlich einer Änderung der Öffnungszeiten die Infrastruktur des Schulstandortes zu berücksichtigen. Nicht zuletzt hat die einzelne Schule dafür Sorge zu tragen, nicht nur den Lehrplan innerhalb der vorgegebenen Ressourcen zu erfüllen, sondern den Schülerinnen und Schülern auch die nötigen Grundkompetenzen zu vermitteln.
Ein Dilemma?! Autonom kreative Lösungen sind gefragt
Im schulischen Kontext wird anscheinend größtenteils nach wie vor davon ausgegangen, dass die Lernenden zur frühen Morgenstunde am leistungsfähigsten sind. Vergleicht man die Zeiten des Unterrichtsbeginns an verschiedenen Schulstandorten, so stellt sich heraus, dass es landläufig üblich ist, zwischen 07.20 und 08.00 Uhr in den Schulalltag zu starten. Dies wurde über Jahrzehnte hinweg entweder traditionell übernommen, oder aus organisatorischen Gründen beispielsweise den Verkehrszeiten der Busunternehmen angepasst.
Wissenschaftliche Erkenntnisse und genannte gesellschaftliche Veränderungen erheben längst den Anspruch darauf, dass sich auch die Schule hinsichtlich der individuellen Leistungsfähigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler orientiert, diese wissenschaftlich fundiert begleitet und optimiert. Topleistungen basieren auf zeitgemäßen, professionellen Begleitmaßnahmen und diese sind ständigen Herausforderungen und Veränderungen ausgesetzt.
Wenn outputorientierte, national sowie international vergleichbare Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler standardisierten qualitativen Vorgaben entsprechen sollen, dann wäre es klug, in erster Linie gute Rahmenbedingungen für „die Player im System“ zu schaffen und vor allem den Fokus auf deren individuellen Bedürfnisse zu richten.
Der Unterrichtsbeginn um und vor 8 Uhr stellt eine „biologische Diskriminierung“ dar
Wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Menschen weisen darauf hin, dass sowohl die Leistungsfähigkeit als solche, aber auch die damit im Zusammenhang stehende Leistungsbereitschaft vom individuellen Biorhythmus des Betroffenen abhängen. Das menschliche Gehirn läuft nicht immer auf Hochtouren, sondern verschafft sich auch Ruhepausen, durch welche die Leistungshochs und -tiefs erklärbar sind. Der Verlauf dieser Leistungskurve ist nicht bei jedem Menschen gleich, sondern individuell.
Es ist hinlänglich bekannt , dass sogenannten Morgenmenschen auch Abendmenschen gegenüberstehen. Während der Morgenmensch schon in der Früh, bald nach dem Aufstehen, sein Leistungshoch erreicht, befindet sich der Abendmensch zu diesem Zeitpunkt meist im Leistungstief. Komplexe Aufgabenstellungen sind ausschließlich im Leistungshoch gut bewältigbar, im Leistungstief betrifft dies eher Routineaufgaben und standardisierte Tätigkeiten. Ob man nun Morgen- oder Abendmensch ist, hängt vom angeborenen Chronotypus ab und kann schwer bzw. nicht beeinflusst werden. Eine innere Uhr gibt dem Menschen das Schlaffenster vor. Demnach ist ein Abendmensch in der Früh geistig auch dann nicht fitter, wenn man ihn früher ins Bett schickt. Das Schlaffenster sorgt dafür, dass man zwei bis drei Stunden, bevor dieses Fenster aufgeht, nicht gut einschlafen kann – auch wenn man sehr müde ist.
Inzwischen kann man wissenschaftlich auch nachweisen , dass Prüfungsnoten vom Chronotypus abhängen – also davon, ob der Schüler/die Schülerin Morgen- oder Abendmensch ist. Das liegt sowohl am falschen Zeitpunkt des Lernens als auch an zu früh festgesetzten Prüfungen. Der Schulbeginn vor und um 8.00 Uhr stellt somit eine echte biologische Diskriminierung dar! Der gut gemeinte Stundenplan, der täglich aufgrund der vermeintlichen Konzentrationsfähigkeit der Kinder die Unterrichtszeit mit den Hauptgegenständen einleitet, erweist sich nach genannten Erkenntnissen als Fehleinschätzung, zumindest für die Abendmenschen.
Was nun?
Die Schulautonomie bietet ab dem Schuljahr 2018/19 nun die Möglichkeit, die Öffnungszeiten flexibel zu gestalten und somit gegebene Problemfelder kreativ zu lösen. Als Beispiel eines kreativen Lösungsansatzes möchte ich an dieser Stelle meine Erfahrungen als ehemaliger Schulleiter der NMS Markt Allhau einbringen:
Problem Nr.1: Die dezentrale Lage des Schulstandortes und der Schülerstrom aus 21 Gemeinden brachten vorerst einmal das Problem des Schülertransportes mit unterschiedlichen Ankunftszeiten mit sich. Die Schülerinnen und Schüler trafen zwischen 06.50 und 07.15 Uhr am Schulstandort ein, hatten zum Teil noch kein Frühstück eingenommen und waren bis 15 Minuten vor Unterrichtsbeginn unbeaufsichtigt.
Lösung Nr.1: Der Schulbeginn wurde auf 06.50 Uhr vorverlegt und startete mit dem sogenannten „Morgenrot“. Diese Zeit des Ankommens wurde von Freizeitpädagogen/-pädagoginnen (aus der GTS vorgezogen) gestaltet – Schwerpunkt: gemeinsam Frühstücken, gemeinsam in den Tag starten.
Problem Nr.2: Wie kann man die Diskrepanz der Chronotypen in Bezug auf ihre individuelle Leistungsfähigkeit und -bereitschaft verringern?
Lösung Nr.2: In einer bewussten Abänderung des Stundenplanes folgten auf das „Morgenrot“ sog. „Ankommensunterrichtseinheiten“, wie etwa Musik, Kreatives Gestalten, Bewegung und Sport u.a.m. Erst danach, zwischen 9.00 und 12.00 Uhr wurden die Fächer mit komplexeren kognitiven Ansprüchen festgesetzt. In diesem Zeitraum konnte beispielsweise auch der Lernertrag überprüft werden…
Fazit: So schwer ist es demnach doch nicht, ein Dilemma zu entschärfen, wenn man dabei kreativ sein darf.
Mein persönlicher Tipp zum Abschluss: Die Morgenmenschen unter den SchulleiterInnen sollten sich mit der komplexen Aufgabenstellung zur individuellen Lösungsfindung schon frühmorgens beschäftigen, die Abendmenschen unter ihnen dürfen sich gerne bis vor Mittag Zeit lassen. Dann sind kreative und gewinnbringende Lösungsansätze garantiert! 🙂