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Flexible Öffnungszeiten: „Die Schule kann hier ihren Servicecharakter unter Beweis stellen!“
Gespräch mit Landesschulinspektorin Dr.in Dagmar Zöhrer zum Thema flexible Öffnungszeiten im Bereich der Allgemeinbildenden Pflichtschulen.
Axel Zafoschnig: Frau Dr.in Zöhrer, Sie sind Bildungsexpertin für Pflichtschulen und Sonderpädagogik und beschäftigen sich als solche auch mit der Servicefreundlichkeit Ihrer Schulen in Bezug auf die neuen Möglichkeiten mit den autonomen Schulöffnungszeiten. Was ist Ihrer Ansicht nach im Zusammenhang mit flexiblen Öffnungszeiten, speziell im Grundschulbereich, zu beachten?
Dagmar Zöhrer: Aufgrund der Problematik, dass der Bustransfer nicht im Detail auf den Unterrichtsbeginn ausgerichtet werden kann und Eltern, die zur Berufsausübung auspendeln müssen, ihre Kinder regelmäßig bis zu 45 Minuten vor Unterrichtsbeginn zur Schule bringen, besteht in den meisten Kärntner Gemeinden auch vor diesem Zeitraum der Bedarf einer Beaufsichtigung der Schüler/innen.
Dazu sieht der § 44a des Schulunterrichtsgesetz vor, dass die Beaufsichtigung von Schüler/innen in der Schule auch durch andere geeignete Personen als durch Lehrer/innen, Erzieher/innen oder Freizeitpädagog/innen erfolgen kann, wenn dies zur Gewährleistung der Sicherheit für die Schüler/innen erforderlich ist und im Hinblick auf die Erfüllung der Aufgaben der Schule zweckmäßig ist.
Diese Festlegung erfolgt im Rahmen der Hausordnung der jeweiligen Schule (Anm.: § 44 Abs. 1 zweiter Satz Schulunterrichtsgesetz). Demnach kann das Schulforum, soweit es die besonderen Verhältnisse erfordern, eine Hausordnung erlassen.
Eine solche Hausordnung ist der Schulbehörde zur Kenntnis zu bringen und durch Anschlag in der Schule kundzumachen. ln der Hausordnung können je nach der Aufgabe der Schule (Anm.: Schulart, Schulform), dem Alter der Schüler/innen sowie nach den sonstigen Voraussetzungen am Standort schuleigene Verhaltensvereinbarungen für Schüler/innen, Lehrer/innen und Erziehungsberechtigte als Schulgemeinschaft und Maßnahmen zur Förderung der Schulqualität festgelegt werden, wobei das Einvernehmen aller Schulpartner anzustreben ist.
Der Aufsichtserlass des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung,
- sieht vor, dass in der Hausordnung geregelt werden kann, dass sich die Schüler/innen auch außerhalb der vorgesehenen Aufsichtszeiten im Schulgebäude aufhalten dürfen, sofern für eine Beaufsichtigung gesorgt ist;
- hält fest, dass die Beaufsichtigung durch die Schule – durch Lehrer/innen, aber auch durch andere geeignete Personen im Sinne des § 44a SchUG – oder durch andere – nicht schulische Einrichtungen erfolgen kann;
- definiert die Frage als wesentlich, ob die aufsichtsführenden Personen im Auftrag der Schule tätig werden oder nicht. In diesem Fall greift § 44a SchUG.
In § 44a Abs. 2 ist geregelt, dass Aufsichtsorgane, die im Auftrag der Schule (Anm.: Hier z.B. vor den Aufsichtszeiten) tätig sind, funktionell als Bundesorgane tätig sind.
Der bzw. die Schulleiter/in trifft bei der Auswahl der Träger/innen der Aufsichtspflicht das Auswahlverschulden im Sinne des § 1313a ABGB. Sie bzw. er hat die bestellten Personen auf die Aufsichtspflicht betreffenden Vorschriften ausdrücklich hinzuweisen und ist überdies gemäß § 56 Abs. 2 SchUG der unmittelbare Vorgesetzte aller an der Schule tätigen Lehrer/innen und sonstigen Bediensteten.
In diesem Sinne muss eben auch für die gemeinsame Schnittmenge „Öffnungszeiten – Beaufsichtigung“ autonom Sorge getragen werden!
AZ: Können Sie in diesem Zusammenhang auch ausführen, was für Sie in der Autonomie die Aufsichtspflicht beinhaltet?
DZ: Hierbei ist – wie bisher – insbesondere auf die körperliche Sicherheit und auf die Gesundheit der Kinder zu achten und Gefahren sind nach Kräften abzuwehren. Darüber hinaus beinhaltet sie auch die Verpflichtung, körperliche bzw. wirtschaftliche Schädigungen dritter Personen bzw. deren Eigentum durch Schüler/innen hintanzuhalten.
Bei Kindern mit Behinderungen und Verhaltensproblemen ist nach wie vor ein strengerer Maßstab anzulegen. Es ist die Aufgabe des Lehrers/ der Lehrerin, in jeder Situation die jeweils angemessene Intensität der Beaufsichtigung, von „nicht aus den Augen lassen“ bis „in der Nähe oder erreichbar sein“, eigenverantwortlich zu wählen. Dies gilt natürlich auch für den Fall, dass die Öffnungszeiten im oben erläuterten Sinn flexibel gestaltet werden!
AZ: Im Spannungsfeld zwischen den „flexiblen Öffnnungszeiten und der ordnungsgemäßen Beaufsichtigung“ kommt also jenen Personen, die diese Beaufsichtigung wahrnehmen, besondere Bedeutung zu. Wer kann also nun in solchen Fällen mit der Aufsicht beauftragt werden?
DZ: Das können als Träger der Aufsichtspflicht Lehrer/innen und andere Personen sein, die in Vollziehung des SchUG und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen tägig werden, z.B. Schulwarte, Reinigungspersonal oder Erziehungsberechtigte.
Da diese Personen im Regelfall aber nicht über dasselbe Fachwissen und dieselbe Erfahrung mit der Aufsicht und den daran geknüpften Verantwortlichkeiten haben, wird es zweckmäßig sein, betreffend die Aufsicht durch Nicht-Lehrpersonal zwischen Schulleitung und Schulerhalter das Einvernehmen über die Intensität der Aufsicht und die Örtlichkeit der Schulaufsicht vor der Unterrichtszeit herzustellen.
Ausgeschlossen von der Beauftragung mit der Aufsicht sind diesbezüglich aufgrund des Begriffs „geeignete Personen“
- erkennbar ungeeignete Personen, z.B. Personen, bei welchen ein erkennbarer Drogen- oder Alkoholkonsum vorliegt und
- Personen, welche aufgrund einer Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung rechtskräftig verurteilt wurden. Diese sind aufgrund dienstrechtlicher Bestimmungen (Anm.: § 6 Abs. 5 K-GBG, § 4 Abs. 7 K-GVBG und § 6 Abs. 8 K-GMG) von einer einschlägigen Tätigkeit, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt, ausgeschlossen.
Daraus ist schon ersichtlich, dass den Schulleiter/innen, dem Schulforum und den Schulerhaltern hier eine sehr große Verantwortung im Hinblick auf eine für alle am Schulleben Beteiligten praktikable Lösung bei den Öffnungszeiten und gleichzeitiger sinnvoller Beaufsichtigung zukommt. Die Schule kann hier ihren Service-Charakter unter Beweis stellen und dazu beitragen, dass die Zufriedenheit der Eltern, aber auch der Schüler/innen und Lehrer/innen mit ihrer Bildungseinrichtung vor Ort hoch ist!
AZ: Frau Dr.in Zöhrer, herzlichen Dank für das Gespräch!
Drin. Dagmar Zöhrer ist Leiterin der Abt. V – Pflichtschulen und Landesschulinspektorin für Sonderpädagogik und Begabungsförderung im Landesschulrat für Kärnten.