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Flexibilität bei Unterrichtsfächern: Wie machen das eigentlich die Anderen?
In der Eurydice Studie der EU-Kommission „Vergleichende Übersicht zur empfohlenen jährlichen Unterrichtszeit während der vollzeitigen Schulpflicht in Europa – 2016/2017“ wurden neben der vertikalen und horizontalen zeitlichen Flexibilität (s. BP vom 11.06.2018) auch die Flexibilität bei den Unterrichtsfächern in den 42 teilnehmenden europäischen Staaten untersucht.
Wird den regionalen bzw. lokalen Behörden oder den Schulen Flexibilität bei den Fächern eingeräumt, so meint das, dass diese ihre eigenen Unterrichtsfächer frei wählen können und die von den zentralen Behörden festgelegte Zeit auf diese Fächer aufgeteilt wird. In manchen Staaten gibt es Listen der zentralen Bildungsbehörde von welcher die regionalen/lokalen Behörden bzw. Schulen ihre Fächer auswählen können. An der Gesamtunterrichtszeit gemessen macht die Flexibilität bei den Fächern jedoch nur zwischen 1% und 23% aus. In neun europäischen Ländern besteht sowohl im Primar- als auch im Sekundarbereich eine gewisse Flexibilität bei den Fächern. Zu diesen Ländern gehören die Tschechische Republik, Estland, Spanien, Lettland, Ungarn, Polen, Portugal, Finnland und die Slowakei. Die Schulen in diesen Staaten haben die Möglichkeit, die von den Bildungsbehörden festgelegte zusätzliche Zeit dafür zu verwenden, Unterrichtszeit für Pflicht- und Wahlfächer oder sogar für weitere Fächer ihrer Wahl anzubieten.
Ein Europa, viele Spielarten
Hier ein kleiner Auszug aus den vielfältigen Möglichkeiten: Tschechische Schulen können die zusätzliche Zeit verwenden, um die Unterrichtszeit in Pflicht- und Wahlfächern auszuweiten, mit dem Unterricht in einer Fremdsprache in den Jahrgangsstufen 1-2 zu beginnen, eine zusätzliche Fremdsprache zu unterrichten oder auch für Schwimmunterricht im Primarbereich. Estnische Schulen hingegen bieten in der Regel zusätzlich IKT und Religion und Moralerziehung an. In Spanien wiederum liegt die Entscheidungskompetenz für die Fächer ihrer Wahl bei den autonomen Gemeinschaften, in der Regel kann hier anhand einer vorab festgelegten Liste ausgewählt werden. In Ungarn haben die Schulen die Möglichkeit, die Zeit für Pflichtfächer zu erhöhen oder weitere Fächer ihrer Wahl anzubieten. In der fünften Jahrgangsstufe müssen die Schulen entweder Schauspiel/Tanz oder Heimatkunde und Menschen anbieten, in der neunten Jahrgangsstufe wiederum Schauspiel/Tanz oder Medien. Die portugiesischen Schulen können die Zeit den schon bestehenden Pflicht- und Wahlfächern zuordnen, wohingegen Schulen in Finnland jedes beliebige Fach anbieten können.
Flexibilität bei den Unterrichtsfächern findet sich auch in Griechenland und Norwegen, jedoch nur im Primarbereich. Das zusätzliche Zeitkontingent wird in Griechenland beispielsweise für die Durchführung themenübergreifender Programme, wie Umweltbildung, Gesundheitserziehung, Kunst und Kultur und ähnliches, verwendet. In Norwegen können die Schulen in der Primarstufe Pflichtfächer ihrer Wahl anbieten. In der französischen und flämischen Gemeinde Belgiens besteht hingegen im Bereich der Sekundarstufe Flexibilität bei der Entscheidung über die von ihnen angebotenen Wahlfächer.
Topscorer in Sachen Schulautonomie: Das Vereinigte Königreich und die Schweiz
Das höchste Maß an Dezentralisierung und Schulautonomie fand die Eurydice Studie im Vereinigten Königreich (England und Schottland) und in der Schweiz. In England wird seit 2011 keine Mindestunterrichtszeit mehr durch das Bildungsministerium festgelegt, jedoch besteht weiterhin die Anforderung an die Schulen, in jedem Jahrgang ausreichend Unterrichtszeit zur Verfügung zu stellen um die gesetzlich vorgeschriebenen Bereiche des Lehrplans abzudecken. Im schottischen „Exzellenz-Curriculum“ ist insgesamt oder auch für einzelne Fächer (Ausnahme: Sport) keine Mindestunterrichtszeit vorgesehen, jedoch ist vorgegeben, dass die Phase der Allgemeinbildung (Jahrgangsstufen 1-10) alle Erfahrungen und Ergebnisse der acht Bereiche des Lehrplans umfassen sollte. In der Schweiz besteht auf nationaler Ebene weder ein Standardlehrplan noch ein vorab festgelegtes Unterrichtsvolumen (Ausnahme: Sport) aber es gibt Bildungsstandards, welche für die Hauptfächer festgelegt sind. Im Rahmen dieser Bildungsstandards steht es den Kantonen frei auf regionaler Ebene einen Lehrplan (auf Ebene der Sprachregionen) und eine vorgesehene Unterrichtszeit (auf kantonaler Ebene) festzulegen.
Ab dem 1. September 2018 werden in Österreich die gesetzlichen Bestimmungen der Bildungsreform rund um die flexiblere Gestaltung von Unterrichtseinheiten relevant werden. Damit kann die Unterrichtszeit auch in Österreich nach pädagogischen Konzepten und nicht mehr nach gesetzlich starr festgelegten Zeiteinheiten ausgestaltet werden.