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Flexible Unterrichtszeit: Wie machen das eigentlich die Anderen?
In der Studie der EU-Kommission „Vergleichende Übersicht zur empfohlenen jährlichen Unterrichtszeit während der vollzeitigen Schulpflicht in Europa – 2016/2017“ wurden neben Erhebungen zur Mindest- und Gesamtunterrichtszeit in 42 europäischen Bildungssystemen auch die Flexibilität bei der Verteilung der empfohlenen Mindestunterrichtszeiten erhoben.
Grundsätzlich unterscheidet die Studie bei den Möglichkeiten zu einer zeitlichen Flexibilität zu gelangen zwischen vertikaler (Jahrgangsstufen) und horizontaler (Fächer) Flexibilität. Die Eurydice Studie definiert diese Möglichkeiten wie folgt: „Vertikale zeitliche Flexibilität: Die zentralen Bildungsbehörden legen die Gesamtunterrichtszeit für ein bestimmtes Unterrichtsfach für mehrere Jahrgangsstufen, die gesamte Bildungsstufe oder für den gesamten Zeitraum der vollzeitigen Pflichtschulbildung fest. Die Schulen bzw. lokalen Behörden können selbst entscheiden, wie viel Zeit sie den Unterrichtsfächern in den einzelnen Jahrgangsstufen widmen wollen.“ Zur horizontalen zeitlichen Flexibilität heißt es: „Die zentralen Bildungsbehörden legen die Gesamtunterrichtszeit für eine Gruppe von Fächern innerhalb einer bestimmten Jahrgangsstufe fest. Die Schulen bzw. lokalen Behörden können selbst entscheiden, wie viel Zeit sie den einzelnen Unterrichtsfächern widmen wollen.“
In welchen Ländern findet sich eine vertikale zeitliche Flexibilität?
Die meisten europäischen Staaten legen in Ihren offiziellen Leitdokumenten fest, wie die empfohlene Mindestunterrichtszeit in den einzelnen Jahrgangsstufen und Fächern zu verteilen ist. In einigen Ländern jedoch sind die Anforderungen weniger zentralstaatlich ausformuliert als in anderen und ermöglichen damit lokalen Behörden und Schulen eine größere Flexibilität bei der Verteilung des Unterrichtsvolumens auf verschiedene Fächer (vertikal) bzw. bei der Auswahl verschiedener Fächer (horizontal).
Ersteres findet sich etwa in Estland, den Niederlanden, Litauen (nur Primarstufe), Polen, Finnland, Schweden, Island und Norwegen. Für die Sekundarstufe in Litauen enthält der Lehrplan nur zu einem Drittel vertikale Flexibilität. Aber auch unsere Nachbarn in der Tschechischen Republik sehen bei etwa 84% der empfohlenen Unterrichtszeit im Primarbereich und 82% im Sekundarbereich eine vertikale Flexibilität vor. Wir sehen also, es gibt es bei der Anwendung der vertikalen Flexibilität durchaus Unterschiede zwischen den Ländern. Manchmal wird die Gesamtunterrichtszeit für die gesamte Bildungsstufe vorgegeben (Tschechische Republik, Norwegen, Niederlande), in anderen Fällen gilt sie für eine Gruppe von Jahrgangsstufen innerhalb der Bildungsstufe (Primarbereich: Estland, Polen, Island).
…und wo eine horizontale zeitliche Flexibilität?
Eine volle horizontale Flexibilität findet sich in zwei der zweiundvierzig europäischen Bildungssysteme: In Wales im Vereinigten Königreich legt die walisische Regierung die gesamte Mindestunterrichtszeit für jede Jahrgangsstufe fest. Wie viel Zeit die Schulen den einzelnen Fächern widmen möchten, bleibt den Schulen jeweils selbst überlassen. In den Niederlanden besteht mit einer sowohl horizontalen als auch vertikalen Flexibilität volle zeitliche Flexibilität. Mindestanforderungen sind für die Unterrichtszeit pro Bildungsstufe natürlich festgelegt, doch bezüglich der Aufteilung unter den Fächern und Jahrgangsstufen sind Schulen völlig flexibel. Ebenfalls im Vereinigten Königreich, jedoch in Nordirland, sowie in den flämischen und deutschsprachigen Gemeinschaften Belgiens existiert eine horizontale Flexibilität hinsichtlich der Aufteilung eines Großteils der zentral festgelegten Mindestunterrichtszeiten unter den Pflichtfächern. Selbiges, jedoch nur für den Primarbereich, findet sich in der französischen Gemeinde Belgiens sowie in Italien. Horizontale Flexibilität besteht in Polen in den Jahrgangsstufen 1-3, in Dänemark für Jahrgangsstufe 1 und in Irland bei vielen Fächern in der Jahrgangsstufe 10. Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele, in welchen eine gewisse horizontale zeitliche Flexibilität ermöglicht wird, diese betreffen jedoch eher kleinere Teile des Lehrplans.
Mit dem Autonomiepaket der Bildungsreform ist nun auch in Österreich der Grundstein gelegt, über eine flexible und bedarfsorientierte Gestaltung der Unterrichtszeit die Bildungsziele kreativer, effizienter und freudvoller zu erreichen. Wie wir sehen gibt es zahlreiche Möglichkeiten die Unterrichtszeit zu flexibilisieren. Fangen wir also an, diese im Sinne der Schüler*innen sinnvoll auszugestalten.