Mit dem Newsletter zur Schulautonomie informieren wir Sie regelmäßig über alle Neuerungen auf dem Blog sowie über spannende Themen rund um Schulautonomie und Bildungsreform.
Lieselotte Anna Wölbitsch: „Schulpartnerschaft ist Kommunikation auf Augenhöhe!“
Frau Professorin Wölbitsch, als Leiterin des Instituts für Schulentwicklung an der PH Kärnten, aber auch als Beraterin für Organisationsentwicklung und Kommunikation verfolgen Sie sehr interessiert die neuesten Entwicklungen im Hinblick auf das Bildungsreformgesetz 2017 und die geänderten Rahmenbedingungen, die sich durch das Autonomiepaket ergeben. Als ehemalige Beraterin im Verband der Elternvereine in Kärnten haben Sie auch eine klare Vorstellung davon, was Schulpartnerschaft ausmacht und wie sie funktioniert.
Für mich ist es zunächst ganz wichtig, zu betonen, dass Schulpartnerschaft Kommunikation auf Augenhöhe bedeutet. Umfassende Mitsprachemöglichkeiten der Schulpartner sind ein wesentliches Kriterium der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit an den österreichischen Schulen. Diese Kultur der Mitbestimmung bleibt ja grundsätzlich in allen schulpartnerschaftlichen Gremien erhalten und muss auch gewährleisten, dass die Bedürfnisse aller Schulpartner, also der Eltern, der Schüler/innen, der Lehrer/innen und der Schulleitung gewahrt bleiben.
Wenn man die Zusammensetzung der schulpartnerschaftlichen Gremien aus kommunikationspsychologischer Sicht analysiert, so ist klar ersichtlich, dass alle Beteiligten in dieser Partnerschaft unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse wahrnehmen wollen. Die Eltern werden eher den individuellen Blick auf die Schule ausüben, weil sie das Wohl ihres Kindes oder ihrer Kinder im Auge haben. Die Eltern sind ja auch die Experten für ihre Kinder. Die Schulleitung und die Lehrer/innen sind die pädagogischen Experten, sie haben den Unterrichtsstoff, die Rahmenbedingungen und auch die Gruppe, die Klasse, das Kollektiv im Blick. Auch die Schüler/innen bringen eine wichtige Sichtweise ein, sie stehen ja im Zentrum aller Aktivitäten an der Schule, sie sind die Experten dafür, wie sich Maßnahmen, Entscheidungen und Richtlinien auswirken. Die Herausforderung ist es, diese unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren und für alle Seiten zu einem bestmöglichen Ergebnis zu kommen.
Hier ist vielleicht auch ein Vergleich angebracht: Wenn eine Familie ein Kind hat, sind die Sicht darauf und die damit verbundenen Entscheidungen andere, als wenn eine Familie vier Kinder hat. Nicht nur in der Familie, sondern eben auch in der Schulpartnerschaft agiert der Mensch als soziales Wesen und lernt, dass es neben den individuellen Bedürfnissen auch Gruppenbedürfnisse gibt.
Diesbezüglich ist es die Aufgabe der Schulleitung, im Vorfeld bereits für qualitätsvolle Information zu sorgen und sie entsprechend aufzubereiten, damit sie bei den Beteiligten ankommen kann. Schule ist ein komplexes System, und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Kommunikation automatisch gelingt. Ganz im Gegenteil, es braucht dazu Zeit und regelmäßige Begegnungen.
Wenn also gewährleistet ist, dass alle Partner sich gleichberechtigt zuhören und respektieren, dann kann sich unter allen Schulpartnern eine gewisse Fehlerfreundlichkeit gegenüber den anderen Partnern entwickeln und etwaige Fehler werden nicht als so gravierend empfunden.
Man darf ja bei aller Wesentlichkeit der Kommunikation in solchen Gremien nicht vergessen, dass die Pädagoginnen und Pädagogen die eigentlichen professionellen Kommunikatorinnen/Kommunikatoren sind, die meist über die bessere Ausbildung im Bereich Kommunikation und Interaktion im pädagogischen Kontext verfügen als die Eltern. Sie sind die Profis. Damit ist es auch ihre Aufgabe, eine positive Atmosphäre der Wertschätzung und des Willkommenseins zu schaffen. Wenn man eine „Schule im Dialog“ will, dann ist es unbedingt erforderlich, bei allen Beteiligten eine gemeinsame und zielgerichtete Haltung und Interaktion zu entwickeln, eine Haltung, die vor allem die Schüler/innen im Fokus hat. Die Schulpartner nehmen also unterschiedliche und wichtige Rollen war, die nicht in Konkurrenz zu einander stehen, sondern sich eigentlich ergänzen.
Gute Schulpartnerschaft benötigt Kommunikation und eine Haltung geprägt von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung…
Bedeutet das, dass in der Schulpartnerschaft nicht nur unterschiedliche Meinungen und Haltungen aufeinanderprallen, sondern auch unterschiedliche Rollen und Funktionen, ja sogar unterschiedliche Emotionen und Hierarchien?
Ja, unbedingt, gute Schulpartnerschaft benötigt einerseits gute Kommunikation – dazu gehört auch das Zuhören – und andererseits eine Haltung geprägt von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung. Unter „Haltung“ verstehe ich, dass die Schulpartner sich als Verbündete sehen, die gemeinsam für ihre Schule und für die Kinder und Jugendlichen etwas erreichen wollen. Wenn jeder seine Rolle wahrnimmt, dann wird auch ein gutes Ergebnis möglich sein.
Wie ich bereits erwähnt habe, ist Kommunikation auf Augenhöhe ganz wichtig. Das heißt jedoch nicht, dass Eltern, Lehrer/innen und Schüler/innen gleich sind. Natürlich gibt es ein Machtgefälle, gibt es unterschiedliche Kompetenzen und unterschiedliche Interessen. Nur wenn das anerkannt wird, kann auf Augenhöhe kommuniziert werden. Hier liegt die Verantwortung schon bei den professionellen Schulleitungen und Lehrpersonen – die ja alle Fortbildungen zum Thema Kommunikation, Interaktion usw. besucht haben – sich im Vorfeld auf Schulgemeinschaftsausschusssitzungen, Besprechungen im Klassen- oder Schulforum und Ähnliches einzustimmen und gut vorzubereiten. Denn auch, wenn Eltern Emotionen zeigen und ihre Anliegen durchbringen wollen, ist es wichtig, ihre Wünsche, Vorschläge und Kritik ernst zu nehmen, um konstruktive Lösungen zu finden und Konflikte zu vermeiden.
Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, dass Verantwortung in einer solchen Partnerschaft ein wesentliches Element ist und dass es in einer schulpartnerschaftlichen Beziehung nicht um Machtverteilung geht?
Aus systemtheoretischer Sicht ist in jeder Partnerschaft ein ausgeglichenes Geben und Nehmen nötig, und Partnerschaften benötigen Zeit um zu reifen. Wie in jeder Beziehung kann man zuerst alles negativ sehen, oder man kann alles durch die rosarote Brille sehen, aber durch einen Reifeprozess gewinnt schlussendlich die Partnerschaft. Auch in einer Zweier-Partnerschaft gibt es die Phasen der ersten Liebe, der Ernüchterung, des Erkennens der Stärken und der Schwächen. Aber erst durch den Prozess und die Erkenntnis daraus kommt es zu einer bewussten Verantwortungsübernahme. Für die Schulpartnerschaft bedeutet dies, dass alle Partner auch erkennen müssen, dass sie gemeinsam in das größere System der Bildungsverantwortung eingebunden sind und dass dieses Eingebettetsein in gesetzliche Rahmenbedingungen auch Schutz für alle Partner bedeutet. In der Schulpartnerschaft wird ja nach der Bildungsreform die Rolle der Schulleiterin oder des Schulleiters gestärkt und die Managementfunktion sowie die Entscheidungsfunktion dieser schulischen Führungskräfte erfährt sinnvollerweise eine Aufwertung.
Sehen Sie in dieser Verlagerung des Entscheidungsrechts hin zur Schulleitung eine Schwächung der Schulpartnerschaft oder ist diese Verschiebung aus ihrer Sicht vertretbar, weil ja auch die Ergebnisverantwortung bei der Schulleitung liegt?
Aus der Sicht der Schulentwicklung ist diese Verlagerung absolut nachvollziehbar, weil Direktoren und Direktorinnen als Führungskräfte mit einer höheren funktionellen Sichtbarkeit versehen werden müssen. „Führung muss führen“ ist keine leere Phrase, sondern muss auch von der Rolle und der Funktion her entsprechend wahrgenommen werden. Schulische Führungskräfte sind keine Kolleginnen und Kollegen mehr, die sich ein ähnlich informelles Vorgehen wie Kolleginnen/Kollegen untereinander erlauben können. Sie sind kraft ihrer Funktion dazu verpflichtet, professionell und formell, aber auch korrekt und kommunikativ zu handeln. Die Eltern als Mitglieder der Schulgemeinschaft sind ein enorm wichtiger Partner, die Beziehung zu ihnen sollte von allen schulischen Vertreterinnen und Vertretern bewusst gepflegt werden.
Dazu muss man aber wissen, dass im schulischen System sehr viel informell geregelt wird. Dies bringt insofern Vor- und Nachteile mit sich, als gewisse Gruppen über eben diese informellen Kanäle entweder über mehr oder weniger Informationen verfügen als andere. Diese bewusst informelle Kommunikationsstruktur wird von Schulleitungen oft in Kauf genommen und erzeugt ein Machtungleichgewicht, das eben eine gute Kommunikation aushebelt.
Daher gilt auch in der Schulpartnerschaft, dass man alle relevanten Informationen bereits im Vorfeld teilt, dass man möglichst viel Klarheit erzeugt und dass man sich bewusst wird, dass auch in den schulpartnerschaftlichen Gremien Macht eine Rolle spielt, dass man davor aber keine Angst zu haben braucht. Im schulischen Kontext suggeriert der Begriff der Macht ja die Dominanz einiger auf der einen Seite und die Ohnmacht anderer auf der anderen Seite. Wenn man sich diesbezüglich aber bewusst wird, dass es auch eine integrative Macht gibt, d.h., dass man die Menschen ins Boot holt und mit ihnen in den Austausch kommt, dann hilft das dabei, Argumente vorzubringen und Entscheidungen zu treffen. Durch einen solchen konzentrierten Austausch von Meinungen und Argumenten mit den einzelnen Bezugsgruppen kann die eigene Argumentation verdichtet und eine Entscheidung nach Anhörung der Argumente und Gegenargumente besser verantwortet werden.“
… sowie Einfühlungsvermögen, Fingerspitzengefühl und vor allem Klarheit
Sind es also nicht immer nur pädagogische, organisatorische, personelle oder rechtliche Fragen, die die Schulpartnerschaft bestimmen, sondern vielfach auch kommunikationsbasierte Faktoren, die die Schulpartnerschaft gelingen lassen?
Trotz aller Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte in der Schulpartnerschaft wird es immer ein Gefälle zwischen der Schulleitung und den Lehrer/innen einerseits sowie den Eltern und den Schüler/innen andererseits geben, weil es eben unterschiedliche Kompetenzen und Erwartungen, aber auch unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen für solche Besprechungen mit lebendigen Diskussionen, wie sie in der Schulpartnerschaft stattfinden, gibt.
Die Schulpartner haben das Bedürfnis, dass nicht nur geredet wird, sondern dass ihre Anliegen ernst genommen werden und man ihnen zuhört. Deshalb benötigt man in der Schulpartnerschaft Einfühlungsvermögen, Fingerspitzengefühl und vor allem Klarheit. Wenn ich Klarheit sage, dann meine ich damit, dass man zunächst vielleicht weniger inhaltlich klären sollte, sondern sich auch zwischenmenschlich näherkommen sollte. Aus der Gruppendynamik wissen wir, dass es eines der schwierigsten Unterfangen ist, eine Sitzung oder Besprechung bewusst zu entschleunigen und sich gegenseitig empathisch zuzuhören. Hier sollte jede der Parteien sich auf ihre Selbstmotivation besinnen und davon ausgehen, dass Störungen immer Vorrang haben.
Abschließend vielleicht noch der Gedanke, dass es in den schulpartnerschaftlichen Begegnungen unbedingt erforderlich ist, eine Trennung von Person und Rolle vorzunehmen. Für das eigene Selbstwertgefühl und die Stärkung der Position in den schulpartnerschaftlichen Gremien ist es nämlich wichtig, sich sein Selbstwertgefühl unbedingt zu bewahren. Wenn eine Gruppe sich etwa kritisch gegenüber einer anderen Gruppe in der Schulpartnerschaft äußert, so gilt es hier zu bedenken, dass sich die Kritik nicht gegen die Person, sondern eben gegen die Rolle, die die Person als Schulleiter/in, Lehrer/in, Schüler/in oder Elternteil wahrnimmt, richtet. Wenn die Erkenntnis des gemeinsamen Miteinanders Platz greift und wenn hier kein Rückfall in alte typische Verhaltensmuster erfolgt, ist davon auszugehen, dass die Schulpartnerschaft auch in Zukunft bestens funktionieren wird.
Frau Prof.in Mag.a Wölbitsch, ich bedanke mich herzlich für das interessante Gespräch mit Ihnen!
Prof.in Mag.a Lieselotte Anna Wölbitsch ist Leiterin des Instituts für Schulentwicklung an der PH Kärnten sowie Beraterin für Organisationsentwicklung und Kommunikation.
