Mit dem Newsletter zur Schulautonomie informieren wir Sie regelmäßig über alle Neuerungen auf dem Blog sowie über spannende Themen rund um Schulautonomie und Bildungsreform.
„Ziel aller Maßnahmen ist immer, unsere Schülerinnen und Schüler zu besten Bildungsergebnissen zu begleiten.“
Martin Netzer, stellvertretender Generalsekretär im Bundesministerium für Bildung Wissenschaft und Forschung, im Gespräch mit Daniela Geiderer zu den Neuerungen, welche durch die Bildungsreform im Schuljahr 2018/19 auf die Schulen zukommen.
Daniela Geiderer (DG): Herr Netzer, Sie sind seit Juli 2018 stellvertretender Generalsekretär des BMBWF und damit mit einer der höchsten Vertreter des Ministeriums auf Beamtenebene. Welche Bedeutung hat da die Umsetzung der Bildungsreform 2017 für Sie?
Martin Netzer (MN): Mit der Bildungsreform 2017 gehen wir konsequent den Weg weiter, Schulen in ihrer Eigenverantwortung zu stärken. Auf Schulebene steht die Autonomie in der Unterrichtsgestaltung und im Personalmanagement im Vordergrund. Sie schafft die Möglichkeit aber auch die Verpflichtung, sich als Schule selbst stärker entsprechend den Bedürfnissen der Lernenden zu entwickeln. Die Schulen sollen selbst in einem erweiterten Rahmen die Möglichkeit haben, jene Methoden, Organisationsformen und Inhalte im Unterricht zu wählen, die dem jeweiligen Bedarf an der Schule entsprechen.
Auf Verwaltungsebene ist die Einrichtung der ersten Bund-Länder-Behörde, der so genannten Bildungsdirektion, die wesentlichste Änderung. Diese Behörden werden nun erstmals sowohl Bundes- als auch LandeslehrerInnen verwalten. Die Behörde setzt sich aus dem Präsidialbereich und dem Bereich Pädagogischer Dienst zusammen. Im Pädagogischen Dienst findet sich die Schulaufsicht wieder, die in Zukunft schultypenübergreifend in regionalen Teams organisiert ist.
Ziel aller Maßnahmen ist dabei immer, unsere Schülerinnen und Schüler zu besten Bildungsergebnissen zu begleiten.
DG: Das Schuljahr 2018/19 läuft gerade an. Worauf muss ich mich als Pädagoge/Pädagogin einstellen? Welche Neuerungen betreffen die Schule unmittelbar im September?
MN: Mit 1. September traten Maßnahmen in Kraft, die es den Pädagoginnen und Pädagogen ermöglichen, ihren Unterricht individueller an die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler anzupassen. Das betrifft die Flexibilisierung der 50-Minuten-Einheit, die Öffnung der Klassen- und Gruppengrößen sowie Erleichterungen in den Schulzeitbestimmungen. Außerdem wird mit 1. September die Zusammenarbeit von Schulen in sogenannten „Clustern“ ermöglicht.
Für Pädagoginnen und Pädagogen direkt wird es ab diesem Schuljahr ein so genanntes Fort- und Weiterbildungsplanungsgespräch mit der Schulleitung geben, in dem die stärkenorientierte Fort- und Weiterbildung des jeweiligen Lehrenden für die kommenden drei Jahre geplant wird.
DG: Wie können diese neuen Maßnahmen den Unterricht verändern?
MN: Ziel ist es, Unterrichtseinheiten neu zu denken und Freiräume in der Unterrichtsorganisation so zu nützen, dass Lernen uneingeschränkt möglich ist. Die Flexibilisierung der Unterrichtseinheiten soll dazu dienen, sich weg vom 50-Minuten Korsett zu bewegen. Denn für manche Themen sind 50-Minuten-Einheiten einfach zu kurz. Die Länge der Unterrichtseinheit soll ja dem pädagogischen Konzept entsprechen und nicht umgekehrt. Die Zeit, die für ein Projekt oder ein bestimmtes Thema gebraucht wird, soll auch zur Verfügung stehen, intensive bzw. vertiefende und ganzheitliche Auseinandersetzung mit Themen soll möglich sein. Je nach Inhalt einer Unterrichtseinheit soll auch die Gruppengröße angepasst werden können. So kann der Unterricht flexibel auf die jeweiligen Inhalte und die Gegebenheiten der Schülerinnen und Schüler zugeschnitten werden.
Im Zentrum steht für uns als BMBWF natürlich der Erfolg der Schülerinnen und Schüler. Die autonome Schule wird an dem Erfolg beurteilt, den sie unter der Nutzung der Freiräume erzielt.
DG: Heißt das, dass ab jetzt alle Schulen tun können, was sie wollen?
MN: Lehrpläne und das Schulrecht geben natürlich auch weiterhin den Rahmen vor. In der Unterrichtsgestaltung sind die Freiräume jedoch deutlich erhöht worden. Das heißt nicht, dass alle Schulen ein Maximum an Freiheit leben müssen. Jede Schule wird für sich im Rahmen eines pädagogischen Konzepts herausfinden müssen, welche Art von Unterricht für sie und ihre Schülerinnen und Schüler zum Erfolg führt. Im Zentrum steht für uns als BMBWF natürlich der Erfolg der Schülerinnen und Schüler. Die autonome Schule wird an dem Erfolg beurteilt, den sie unter der Nutzung der Freiräume erzielt. Dieser Erfolg wird an dem Bildungserfolg ihrer SchülerInnen (z.B.: Bildungsstandards, standardisierte Reife- und Diplomprüfung) gemessen.
DG: Der Gedanke, dass die jeweilige Schule vor Ort selbst am besten weiß, was für ihre Schülerinnen und Schüler funktioniert steht hier im Zentrum.
Wie sieht es mit der Bildung von Clustern aus? Was kann man sich darunter vorstellen und wann wird es die ersten Cluster in Österreich geben?
MN: Als Cluster wird die Zusammenarbeit von zwei bis acht Schulstandorten bezeichnet. Ziel dabei ist ein flexiblerer Ressourceneinsatz im Cluster, die Erweiterung und Absicherung eines breiten Bildungsangebotes in der jeweiligen Region sowie die Übergänge an Schnittstellen in der Bildungsbiographie zu erleichtern. Mit diesem September starten zwei Pilotcluster an Bundesschulen in der Steiermark und in Vorarlberg und vier Pilotcluster an Pflichtschulen im Burgenland.
DG: Das lässt einiges an Bewegung in der Schullandschaft vermuten. Es wird sicherlich spannend, die weiteren Entwicklungen mitzuverfolgen. Herzlichen Dank für das Gespräch!
