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Multi-modales Lernen an der HTL Mössingerstraße in Klagenfurt
„Multi-modales Lernen ist zukunftsorientiertes Lernen“ – die HTL Klagenfurt Mössingerstrasse pilotiert diesen innovativen schulautonomen Ansatz. Autonomiebotschafter Axel Zafoschnig im Gespräch mit Herrn DI Johann Klanschek, Abteilungsvorstand für Elektronik und Technische Informatik an der HTL Mössingerstraße.
Herr AV DI Klanschek, verkörpert Ihre „virtuelle Klasse“ nur ein weiteres modernes Schlagwort in der vielfältigen Bildungslandschaft oder setzen Sie in Ihrer Abteilung tatsächlich auf eine neue Didaktik und auf eine neue Unterrichtsorganisation, die Ihren Schülerinnen und Schülern vielfältige Lernerfahrungen ermöglichen?
Die Schulautonomie ermöglicht uns tatsächlich neue methodisch-didaktische Ansätze. Durch die Verkürzung der 50-Minuten Unterrichtsstunde um 10 Minuten für die zweiten und dritten Jahrgänge an drei Vormittagen können die Schülerinnen und Schüler in den dadurch gewonnenen Stunden notwendige Wiederholungen und Verfestigungen des Lehrstoffes in sogenannten „Virtuellen Klassen“ oder „Lernbüros“ klassenübergreifend durchführen – oder im Fall von Begabungsförderung – fächerübergreifende Projekte realisieren. Für die „Virtuelle Klasse“ stehen den Schülerinnen und Schülern pro Unterrichtseinheit mehrere Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung, die sie individuell buchen. Daher setzt sich eine „Virtuelle Klasse“ aus verschiedenen Klassen und Jahrgängen zusammen. Dies hat den Vorteil, dass das Lernen jahrgangübergreifend auch durch Schülerinnen und Schüler erfolgt, wobei die jeweilige Lehrperson als Coach tätig ist und bei gezielten Fragen unterstützt.
In den von uns ausgewählten Gegenständen gibt es neben der klassischen Input-Phase danach immer eine Möglichkeit, kurze Arbeitsaufträge oder etwa klassische Hausübungsbeispiele als Wiederholung zu geben. Auch dafür kann man die Stunden der „Virtuellen Klasse“ gut nutzen und individuelle Begabungen fördern.
So wie es die Schulautonomie regelt, werden die jeweiligen Jahresminuten pro Gegenstand für die Schüler/innen durch die Buchungen erreicht. Dies wird einerseits dadurch ermöglicht, dass in einigen Gegenständen bei geteilte Stunden zwei Lehrer/innen zur Verfügung stehen und andererseits Lehrer/innen nicht nur einen Gegenstand unterrichten.
Am Ende eines Schuljahres haben dann alle Schüler/innen und Lehrer/innen mindestens die Gesamtzahl der notwendigen Unterrichtsminuten, da bei Absenzen sehr flexibel Stunden für die Virtuelle Klasse getauscht werden.
Die zeitliche Flexibilisierung der Unterrichtseinheiten, die Durchmischung von Schüler/innen unterschiedlicher Klassen und Jahrgänge und die damit verbundene Begabungsförderung sind Ihrer Meinung nach leistungsverbessernde Erfolgsindikatoren. Worin liegt demnach der echte pädagogische Mehrwert all dieser schulautonomen Maßnahmen?
Erstens müssen sich die Schülerinnen und Schüler wahlweise bewusst für die „Virtuellen Klasse“ entscheiden, zweitens können und sollen sie die jeweiligen Unterrichtseinheiten selbstständig wiederholen sowie dazu Fragen stellen, und ist es unabdingbar, dass sie gute Kontakte zu anderen Klassen, Jahrgängen sowie zu Lehrerinnen und Lehrern pflegen, um erfolgreich zu sein. Selbstverständlich müssen die Buchungswahl und die Arbeit in der „Virtuellen Klasse“ besonders bei Schülerinnen und Schülern mit Defiziten in einzelnen Gegenständen oder bei mangelnder Selbstorganisation von einem Lerncoach begleitet werden. Durch diese Tandem-Variante können die Schülerinnen und Schüler ihre Lernorganisation verbessern, gleichzeitig wird aber auch die Kommunikation zwischen den Klassen gesteigert und die Teamfähigkeit gestärkt.
Für individuell begabte Schülerinnen und Schüler stehen weiters noch mehrere Stunden pro Woche flexibel zur Verfügung. Das heißt, im Falle notwendiger Übungszeit für Gegenstände vor Schularbeiten und Tests kann wöchentlich gegenstandsbezogene Unterstützungsleistung gebucht werden. Alle beteiligten Lehrerinnen und Lehrer stehen nicht nur für ihre angestammten Fächer zur Verfügung, sie können auch fächerübergreifend unterstützend eingreifen.
„Die Nutzung digitaler Medien ist in den technischen Fächern besonders wichtig, da sich die technologische Entwicklung so rasant vollzieht, dass es schwierig ist, nur mit den vorhandenen Printversionen der Unterrichtsmittel die Ausbildung auf dem neuesten technischen Stand zu halten.“
Es entspricht ja den Bedürfnissen der Schüler/innen einerseits und der Unterrichtenden andererseits, dass in der Schulautonomie gemeinsam unterschiedliche positive Lern- und Lehrerfahrungen gemacht werden. Wie multi-modal ist diesbezüglich Ihre Lern- und Lehrkultur, wenn man an projektorientiertes Lernen, mobiles Lernen, e-learning oder online learning denkt?
Die HTL Mössingerstraße nützt schon seit vielen Jahren die von Ihnen angesprochenen Möglichkeiten sowohl in den allgemeinbildenden, als auch in den naturwissenschaftlichen, sowie in den fachtheoretischen und fachpraktischen Unterrichtsgegenständen. Es gibt schon länger einen guten Mix aus klassischem Frontalunterricht, individualisierten Unterrichtsmethoden, e-learning und Projektunterricht. Durch die flächendeckende Versorgung mit Hilfe unseres WLANs stehen auch alle digitalen Informationsquellen und die den Unterricht unterstützenden Lernplattformen wie „Moodle“ und ähnliche jederzeit zur Verfügung. Die Nutzung digitaler Medien ist in den technischen Fächern besonders wichtig, da sich die technologische Entwicklung so rasant vollzieht, dass es schwierig ist, nur mit den vorhandenen Printversionen der Unterrichtsmittel die Ausbildung auf dem neuesten technischen Stand zu halten.
Der von uns sehr forcierte Projektunterricht, das „project-based-learning“ und das „hands-on-learning“, aber auch das „virtual learning“, zum Beispiel mit Hilfe von „remote labs“ haben sich an unserer Schule schon über längere Zeit bewährt. Diese modernen Lehr- und Lernmethoden werden nun vermehrt auch für die Begabungsförderung sowie für projektbezogene Vertiefungen in der virtuellen Klasse eingesetzt.
Die virtuelle Klasse, die zwar ihren sozialen Bezugsrahmen in der realen Klasse hat, ihre Talente jedoch im virtuellen Klassenzimmer forciert, fördert also Eigenschaften wie interdisziplinäres Denken, Vernetzung oder digitale Anwendungen. Gibt es für Sie noch weitere Vorteile?
Weitere Vorteile sind das schüler/innenzentrierte Eingehen auf individuelle Fragestellungen, ohne dass dabei auf die gesamte Klasse Rücksicht genommen werden muss, die Förderung der Selbstständigkeit, die Leistungsverbesserung durch die Coaching-Tätigkeit der Lehrerinnen und Lehrer sowie die Stärkung der Organisationskompetenz durch die Freiheiten in der Buchungswahl.
Ein weiterer essentieller Vorteil besteht darin, dass die „Virtuelle Klasse“ während der regulären Unterrichtszeit aller Beteiligten durchgeführt wird und somit keine zusätzlichen Zeit-, Raum- und finanziellen Ressourcen notwendig sind. Auch die Schülerinnen und Schüler haben dadurch keinen zusätzlichen Zeitaufwand. Die Schule wiederum erspart sich damit zum Teil den Förderunterricht oder kann diesen individueller und intensiver durchführen, weil einige Schülerinnen und Schüler schon im Rahmen der „Virtuelle Klasse“ gefördert wurden.
Unsere „Virtuelle Klasse“ wird selbstverständlich im Rahmen von QIBB auch evaluiert und kann durch die gesetzlich geregelte neue Schulautonomie flexibel auf notwendige Änderungen reagieren und Verbesserungen schaffen. Das bisher äußerst positive Feedback der Klassen bestätigt die richtige Entscheidung dieser schulautonomen Regelung und ermutigt uns, den nach sorgfältiger Planung eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten.
Unterstützt und entwickelnd begleitet wird die „Virtuelle Klasse“ durch passgenaue Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrerinnen und Lehrer an den pädagogischen Hochschulen, durch die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Individualisierung sowie durch die Kooperation mit Infineon. Auch die Privatstiftung der Kärntner Sparkasse fördert dankenswerter Weise dieses Pilotprojekt, auf das wir sehr stolz sind.
Herr AV, DI Klanschek, ich bedanke mich für das interessante Gespräch.