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Nachhaltige Strukturveränderungen in der Schulverwaltung
Interview mit Bildungsdirektor Dr. Robert Klinglmair über den Start der Bildungsdirektionen und seine Ziele für das Bildungssystem in Kärnten.
Herr Dr. Klinglmair, Sie sind nun knapp mehr als die berühmten 100 Tage in Ihrer Funktion als Bildungsdirektor in Kärnten tätig. Wie fühlen Sie sich in dieser Rolle als Leiter dieser gemeinsamen Bildungsbehörde, in der Sie ja sprichwörtlich mit einem Fuß auf der Scholle „Land“ und mit einem Fuß auf der Scholle „Bund“ stehen?
In der Tat sieht die Konstruktion der Bildungsdirektionen vor, zwischen Bundes- und Landesagenden, also dem sogenannten Bundes- und Landesstrang, einen entsprechenden Ausgleich zu finden. Als neutraler Vermittler einer gemeinsamen Behörde bin ich in erster Linie jedoch darum bemüht, wenn Sie schon Schollen angesprochen haben, das Bildungsdirektionsschiff gemeinsam mit meiner Crew im Sinne unserer Schülerinnen und Schüler sicher durch die Gewässer von Kärntens prosperierender Bildungslandschaft zu geleiten.
Durch das Bildungsreformgesetz 2017 wurden die Landesschulräte abgeschafft und mit 1.1.2019 haben Sie die Bildungsdirektion Kärnten als neue Organisationseinheit übernommen. Was sind für Sie als Bildungsökonom die Vorteile dieses Veränderungsprozesses, der schlussendlich zur gemeinsamen Vollziehung des gesamten Schulrechts, des Dienstrechts und des Personalvertretungsrechts von Bund und Land führt?
Die Bildungsdirektion hat nach 150 Jahren die bisherigen Landesschulräte abgelöst und bringt nachhaltige Strukturänderungen in der Schulverwaltung und -entwicklung mit sich. Bundes- und Landesagenden wurden erstmals in einer gemeinsamen und effizienten Verwaltung zusammengeführt, die künftig für alle Schularten – mit Ausnahme der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen – zuständig ist. Mehr Transparenz, geringere Abstimmungserfordernisse zwischen Bund und Land sowie ein gemeinsames Ressourcencontrolling samt verbesserten Steuerungsmechanismen gilt es, als die zentralsten Vorteile hervorzuheben. Zudem bietet das Bildungsreformpaket – neben der Möglichkeit zur Bildung von Schulclustern oder einer veränderten Rolle der Schulaufsicht – mit verstärkter Schulautonomie größere Gestaltungspielräume sowie die größten Entwicklungschancen der letzten 30 Jahre als Antwort auf die regionalen und demographischen Anforderungen der Schulstandorte sowie die individuellen Bedürfnisse von Schulgemeinschaften, die es nachhaltig für das Bildungssystem in Kärnten zu nutzen gilt. Mut, diese Veränderungen auch anzunehmen muss allerdings erst in den Fokus gerückt werden und reifen.
Als neuer Bildungsdirektor können Sie Angelegenheiten der Bundes- und Landesvollziehung auf die Bildungsdirektion übertragen. Welche Schwerpunkte und Ziele sind Ihnen dabei besonders wichtig?
Neben den aktuellen Herausforderungen im Zuge der finalen Einrichtung der Bildungsdirektionen im pädagogischen Bereich sowie der konsequenten Umsetzung der Bildungsreform, wie etwa dem Implementieren des Schulautonomiepakets oder dem Aufbau einer evidenzbasierten Schulentwicklung, sollen bildungspolitische Schwerpunkte auf zwei Ebenen gesetzt werden. Im Bereich der Allgemeinen Pflichtschulen ist – neben einem qualitativen und quantitativen Ausbau von ganztägigen Schulformen und Bildungszentren – der Hauptfokus darauf gerichtet, Grundkompetenzen weiter zu verbessern wie auch die Chancengerechtigkeit zu erhöhen. Im höheren Schulbereich sollen regionsspezifische Angebote und Spezialisierungen auf eine kompetenzorientierte und zeitgemäße Ausbildung unter besonderer Berücksichtigung der modernen Anforderungen von Arbeitsmarkt und Gesellschaft abzielen. Eine Querschnittsmaterie über alle Schulstufen stellt – zusätzlich zur Initiierung und Weiterführung von Projekten zur Internationalisierung und Mehrsprachigkeit – der Erwerb digitaler Fähigkeiten dar, die bereits frühzeitig neben Lesen, Schreiben und Rechnen als vierte Grundkompetenz implementiert werden sollen, ohne dabei unsere Schülerinnen und Schüler zu überfordern. Auch gilt es, bestehende Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft, wie etwa die kürzlich installierte Industrie-HAK in Althofen oder den Chemieschwerpunkt an der HTL Mössingerstraße in Klagenfurt, weiter zu forcieren.
In Ihrer Antrittsrede haben Sie von „bester Bildung“ und „Chancengleichheit“ für alle Schülerinnen und Schüler gesprochen. Glauben Sie, dass man dieses Ziel mit den neuen Formen der Systemsteuerung und der Gestaltung der Veränderungsprozesse tatsächlich erreichen kann?
Die genannten beiden Bereiche stellen die wesentlichen Wirkungsziele der langfristig angelegten Bildungsreform dar, um zudem aus Schülerinnen und Schüler selbstbestimmte und eigenverantwortliche Menschen zu formen. Die Chance auf beste Bildung als zentraler Karriereschlüssel soll künftig alle Bevölkerungsschichten unabhängig von sozialer und finanzieller Herkunft erreichen, da – im internationalen Vergleich – gerade das österreichische Bildungssystem von einer vergleichsweise geringen intergenerationellen Bildungsmobilität gekennzeichnet ist. Dies bedingt ein Miteinander aller am Bildungsprozess beteiligten Personen und Institutionen. Nur gemeinsam können wir etwas bewegen und junge Menschen mit entsprechenden Bildungsangeboten bestmöglich auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten, was einerseits sowohl Fördern als auch Fordern und andererseits neuartige Konzepte wie etwa ein Frühwarnsystem gegen einen vorzeitigen Bildungsabbruch erfordert. In Kärnten arbeiten wir aktuell bereits daran, ein solches System als Pilotprojekt zu implementieren.
Sie haben das Bildungssystem in Kärnten während der letzten zehn Jahre mit Ihren wissenschaftlichen Publikationen als Bildungsökonom an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt analysiert und begleitet. Nun sind Sie als Bildungsdirektor seit August sofort in die praktische Welt des Schulalltages eingetaucht. Was kam für Sie im Kärntner Schulsystem erwartungsgemäß zum Ausdruck und was hat Sie diesbezüglich überrascht?
Ein ehemaliger Professor, der ebenfalls an der AAU Klagenfurt Volkswirtschaft lehrte, hat mich – im Sinne eines Mentors – sehr geprägt und mich für Themen der Bildungssoziologie bzw. Bildungsökonomik begeistert. Im Jahr 2008 haben wir bei einer Bildungsforschungskonferenz erstmals einen Beitrag zum Thema bildungsbenachteiligter Jugendliche eingereicht. Von da an wurde ich mit dem „Bildungsökonomik-Virus“ infiziert; daraus hat sich dann auch meine Dissertation und die weiteren Forschungsarbeiten ergeben. Dabei konnte ich zahlreiche Aspekte des Kärntner Bildungssystems detailliert betrachten, insofern war ich über die Struktur, Ausgangslage und Ergebnisse bei (internationalen) Testungen informiert. Überrascht hat mich jedoch, welch kreative und innovative Arbeit in vielen Schulen bereits vor dem Zeitalter der Schulautonomie geleistet wurde, gleichzeitig aber auch, wie komplex das „System Schule“ in der Praxis tatsächlich ausfällt und wie stark der gesellschaftliche Wandel sowie die damit gestiegenen Anforderungen an unsere Pädagoginnen und Pädagogen auch in den Schulen spürbar ist. Dies erfordert aus meiner Sicht neben mehr Ressourcen, um diesen Entwicklungen entgegnen zu können – speziell seitens des Gesetzgebers – flexiblere Lösungen und rasche Anpassungsmöglichkeiten, um nicht mit den Methoden von gestern die Zukunft von morgen zu unterrichten.
Als Bildungsdirektor tragen Sie die Verantwortung für die zwei Bildungsregionen Ost und West in Kärnten, Sie haben die Präsidiale und den Pädagogischen Dienst zu leiten, Sie sind aber auch für die Qualitätsentwicklung und die Qualitätssicherung der Schulen zuständig. Weiters gibt es einen Ressourcen-, Ziel- und Leistungsplan, den Sie zu erfüllen haben und der Ihr Handeln weitestgehend bestimmen wird. Welche zukünftigen Indikatoren und Kennzahlen sind für Sie in diesem Zusammenhang erforderlich, um die von allen am Prozess beteiligten Personen im Schulsystem angestrebten verbesserten Ergebnisse und Leistungen zu erreichen?
Ein wesentliches Kernstück, um die Wirkungsziele der Bildungsreform zu erreichen und damit Kärntens Bildungssystem für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen, sehe ich einerseits in der neuen Rolle der Schulqualitätsmanagerinnen und Schulqualitätsmanager, welche die frühere Schulaufsicht zum 1.1.2019 mit neuen Kernaufgaben abgelöst haben sowie andererseits im evidenzbasierten Qualitätsmanagement, um ausgehend von bestehenden Befunden – gemeinsam mit Schulleiterinnen und Schulleitern – eine standort- und regionsspezifische Schulentwicklung voranzutreiben sowie bildungspolitische Reformvorhaben zu konzipieren, welche es konsequent zu implementieren, anschließend zu evaluieren und gegebenenfalls zu adaptieren gilt. Neben Zahlen zur Entwicklung und Prognosen der Schüler/innenzahlen als auch des Lehrpersonals, Kosten des Bildungssystems gilt es vor allem die Ergebnisse bei Leistungstests wie den Bildungsstandards etc. sowie Daten zu den Fortbildungsaktivitäten zu nutzen. Als Ziel für das Jahr 2019 stehen jedoch weniger inhaltliche Agenden im Vordergrund, sondern gilt es, sich auf eine überlegte Strukturierung des Pädagogischen Dienstes zu fokussieren und noch bestehende „Ecken und Kanten“ bei den neuen Abläufen in der Behörde zu glätten, um mit der neuen Struktur pünktlich zum Schuljahr 2019/2010 durchzustarten.
Natürlich werden aber auch inhaltliche Akzente gesetzt werden und etwa ein Schulstandortekonzept erarbeitet, erstmals ein Schulcluster in Kärnten errichtet, aber auch im Bereich der Mehrsprachigkeit und Internationalisierung sowie Digitalisierung und Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft erste Schwerpunkte folgen. Auch gilt es, den weiteren Ausbau von Bildungszentren und Ganztagesschulen (in der verschränkten Form) voranzutreiben. Mir ist jedoch wichtig, sich dabei auf wenige Aspekte zu konzentrieren, um diese auch rasch in die Praxis umsetzen zu können.
Entscheidend für alle Vorhaben ist, den Change Prozess als große Chance zu sehen und gemeinsam mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren die besten Entwicklungen voranzutreiben, anstatt dem Veränderungsprozess mit Vorbehalten und damit Stillstand zu begegnen.
Welche persönlichen Wünsche verbinden Sie abschließend mit der Ausübung Ihrer Tätigkeit als Bildungsdirektor in Kärnten und welche Unterstützung erwarten Sie sich diesbezüglich von Bund und Land?
Meine persönlichen Wünsche im Zuge der Tätigkeit als Bildungsdirektor würde ich am besten so zusammenfassen wollen: Mir ist es wichtig, dass, wie bereits beschrieben, alle Personen, denen Bildung am Herzen liegt, den bereits begonnenen Change Prozess als Chance sehen und wir gemeinsam – sachlich und über Parteigrenzen und Ideologien hinweg – an einem Strang ziehen, um das Kärntner Bildungssystem fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen und die daraus resultierenden Verbesserungen in den Klassenzimmern bei unseren Schülerinnen und Schülern ankommen. Diesen Prozess verstehe ich jedoch als langfristig und möchte versuchen, nachhaltig meinen Beitrag in diesem Prozess zu leisten, auch wenn die Früchte dieser Anstrengungen erst nach meiner Amtszeit geerntet werden können.

Dort sind seit 1. Jänner 2019 die Aufgaben des bisherigen Landesschulrates und Teile der Schulabteilung des Landes vereint.