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Wie machen das eigentlich die Anderen? Prof. Rolf Koerber über die Schulentwicklungsbegleitung in Sachsen und Österreich
Prof. Dr. Rolf Koerber ist verantwortlich für die Lehrpersonenausbildung im Fach „Wirtschaft-Technik-Hauswirtschaft/Soziales (WTH/S)“ an sächsischen Oberschulen an der Technischen Universität Dresden. Als Erziehungswissenschaftler und Lehrpersonenbildner hat er selbst einen Lehramtsabschluss und die Schulentwicklungsbegleitung in Sachsen aufgebaut, die zahlreiche Schulfusionen begleitet hat. Darüber hinaus war er im Grundsatzreferat des Kultusministeriums tätig. Seit Ende 2017 berät er das BMBWF bei der Schulclusterbildung.
Herr Prof. Koerber, wie hat sich die Schullandschaft in Sachsen seit dem Jahr 2000 verändert?
Die größten Veränderungen der Schullandschaft haben hier zwischen 1995 und 2010 stattgefunden: Nach der Wende gab es zahlreiche Schulneugründungen, oft Privatschulen aus dem Geist der Bürgerbewegung der DDR, gleichzeitig nahm die Geburtenzahl drastisch ab mit der Folge das sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler in diesem Zeitraum halbierte. Diese Situation führte dazu, dass – vor allem auf dem Land – über 40% aller Schulen geschlossen bzw. fusioniert wurden. Ein sehr schmerzhafter Prozess, grade auch für die Gemeinden. Inzwischen haben wir sogar wieder steigende Schülerzahlen und ein stabiles Schulnetz.
Wo liegen Ihrer Meinung nach die Vorteile in der Bildung von Schulclustern?
Gegenüber der Alternative von Schulschließungen, weil Schulen schlicht zu klein werden, um sie noch sinnvoll als Einzelschule betreiben zu können, bieten Schulcluster den großen Vorteil, Standorte erhalten zu können. Für die betroffenen Gemeinden ist das lebenswichtig, weil ein Schulstandort für junge Familien ein entscheidendes Kriterium für die Wahl des Wohnortes ist.
Was kann ein Schulcluster leisten, was einzelne Standorte nicht können?
Schulcluster können ein leistungsfähiges und modernes Schulsystem vor Ort bis in die ländlichen Regionen hinein gewährleisten: So können Schulcluster etwa Fachlehrkräfte vorhalten, die an mehreren Standorten eingesetzt werden und auch materielle Ressourcen können besser eingesetzt werden.
Welche neuen pädagogischen Möglichkeiten können sich durch den Cluster ergeben?
Hier kommt es natürlich auf die Ausgestaltung des Clusters und die Zielsetzung der Akteurinnen und Akteure vor Ort an. Grundsätzlich bietet die Zusammenarbeit gerade auch von Schulen unterschiedlicher Schularten eine Reihe sehr interessanter Möglichkeiten: Das reicht von der regionalen Projektarbeit über den jahrgangsgemischten Unterricht bis hin zur Bildung multiprofessioneller Teams in den Schulen.
Worauf sollten die Verantwortlichen bei der Bildung von Schulclustern besonders Acht geben?
Auf die frühzeitige Einbindung aller Betroffenen vor Ort. Gemeinsam mit ihnen lassen sich am Besten adäquate Lösungen für die jeweilige Region finden. Dabei dürfen die Beteiligten nicht allein gelassen werden in den Prozessen – vielmehr braucht es professionelle Unterstützung etwa durch die Prozessbegleiter/innen in Österreich.
Was sind Ihrer Ansicht nach die zentralen „Gelingensbedingungen“ für die Bildung von Schulclustern?
Es muss gelingen, die Betroffenen vor Ort zu Beteiligten zu machen. Die Prozesse benötigen Zeit und eine gewisse Offenheit; die Beteiligten brauchen Gestaltungsspielräume. Dazu gehören auch Ressourcen.
Was können die Verantwortlichen für die Bildung von Schulclustern in Österreich, aus den Erfahrungen welche Sie in Sachsen gemacht haben lernen?
Auf jeden Fall die Notwendigkeit einer frühzeitigen und professionellen Begleitung. Unmoderierte Prozesse haben am Anfang oft zu erheblichem Widerstand geführt. Auch darf nicht der Eindruck entstehen, Schulen würden „weggespart“ und es ginge den Behörden nur um die Einsparung von Kosten. Vielmehr muss der Gedanke von Qualität und Gestaltung im Mittelpunkt des Prozesses stehen.
Was möchten Sie österreichischen Prozessbegleiter/innen, auf Grund Ihrer Erfahrungen, mit auf ihren Weg geben?
Ratschläge sind stets heikel: Ich weiß, dass die österreichischen Prozessbegleiter/innen hervorragend ausgebildete Expert/innen sind und vertraue auf ihre Kompetenz die Beteiligten vor Ort einzubinden und zu motivieren. Die Kolleg/innen haben hier eine wichtige Rolle. Was ich ihnen wünsche ist ein Bewusstsein für den Sinn und die Bedeutung ihrer Tätigkeit und Freude und Erfolg bei der nicht immer leichten Arbeit mit vielen Beteiligten und deren unterschiedlichen Positionen.
Weitere Informationen zu Schulcluster in Sachsen erhalten Sie in den Beiträgen von Florian Brand aus der Rubrik „Wie machen das eigentlich die Anderen?“:
- Teil 1 „Die Hintergründe“
- Teil 2 „Ein Praxisbeispiel“
- Teil 3 „Erfahrungen aus der Schulentwicklungsbegleitung“
Wie die Zusammenarbeit zwischen einer Schulclusterleitung und ihren Standortleitungen in der Praxis funktioniert und welche Erfahrungen die Leitungen miteinander machen seit der Bildung des Schulclusters Lockenhaus/Bernstein im Burgenland hören und sehen Sie im Videointerview mit Martina Farkas, Leiterin des Clusters sowie ihren Standortleiterinnen Christine Wallner und Barbara Kramer.