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Lokalaugenschein Burgenland: Drei Pflichtschulcluster im Portrait
Obwohl die Schulautonomie mittels Clusterlösungen bundesweit die Einrichtung von Schulclustern als Zusammenschluss mehrerer Schulstandorte ermöglicht, gibt es zurzeit nirgends so viele erfolgreiche Cluster wie im Burgenland. Das ist einerseits der intensiven Planungs- und Implementierungstätigkeit von SQM Alfred Lehner, dem Clusterbeauftragten des BMBWF und Mastermind hinter den sinnvollen Schulerhaltungskonzepten, und andererseits dem gesamten Team der Bildungsdirektion Burgenland zu verdanken – allen voran auch SQM Werner Zwickl, der die näheren Details zu den Pflichtschulclustern gemeinsam mit den Cluster-Leiter/innen aus der Region Seewinkel in einem Informationsgespräch zur Verfügung stellte. Aber auch die Pädagogische Hochschule Burgenland, die für die Begleitung der Schulen mit verantwortlich ist, sowie die Gemeinden und Schulerhalter, die in diesem Konzept neue Chancen für ihre Region sehen, fügen sich gut in dieses Unterstützungsszenario ein. Dementsprechend positiv fällt auch die bisherige Zwischenbilanz zu den Neuerungen und Schwerpunkten im Schulbereich aus, die das Ziel verfolgen, durch entsprechende „Verclusterungen“ die ortsnahe Bildung zu erhalten und die Schließung kleiner Schulen zu verhindern
Dabei übernimmt die Schulclusterleitung – wie z.B. in den drei Bezirksorten Frauenkirchen, Andau und Illmitz – standortübergreifend die Aufgaben der bisherigen Schulleitungen. Stundenpläne und Lehrfächerverteilungen werden in Abstimmung mit den Standorten zentral im Cluster erarbeitet und im Rahmen der Schulautonomie können gemeinsame zukunftweisende Maßnahmen für die beste Bildung der burgenländischen Kinder und Jugendlichen ergriffen werden.
3 Pflichtschulcluster – drei Zugänge
Bezügliche „Verclusterung“ gibt es aber für die drei Orte Frauenkirchen, Andau und Illmitz unterschiedliche Voraussetzungen: In Frauenkirchen mit seinen ca. 2900 Einwohnern gibt es in einem Schulzentrum 4 Schulen auf engstem Raum – eine NMS (7 Klassen), eine VS (4 Klassen), eine PTS (2 Klassen) und eine ASO (6 Klassen). Dazu kommen als weiterführende Schulen noch eine HAK und eine Krankenpflegeschule der Krages. Hier bestand also die Herausforderung, einerseits für die Bevölkerung Sicherheit in der Planung der Schullaufbahnen der Kinder zu gewährleisten und andererseits kurze Entscheidungswege für die Schulerhalter zu schaffen, damit ihre Identifikationsbereitschaft mit dem Schulcluster erhöht werden konnte und auch wirtschaftliche Vorteile durch die gemeinsame Planung geschaffen werden konnten.
Etwas anders gelagert war die Situation betreffend den Zusammenschluss der Schulen in Andau und Illmitz, weil es in beiden Orten je eine NMS (5 und 4 Klassen) und 2 VS (5 Klassen in Andau, 2 Klassen in Tadten; sowie 4 Klassen in Illmitz und 3 Klassen in Apetlon) gibt, die einerseits qualitätsvolle Bildungsarbeit mit guten Ergebnissen bei den bundesweiten Überprüfungen der Bildungsstandards leisten, andererseits aber auch unter demographischen Rückgängen zu leiden haben. Obwohl Andau ca. 2300 Einwohner hat und Illmitz etwa 2400, bestand die Gefahr, dass die NMS unter 80 Schüler/innen fallen würden, sodass hier Handlungsbedarf in Richtung schulerhaltender Maßnahmen im Sinne der Bildungsnahversorgung gegeben war. Hier lag es klar in der Verantwortung der bildungspolitischen Entscheidungsträger, dafür Sorge zu tragen, dass den im Einzugsbereich wohnenden Familien die Planungssicherheit vermittelt werden konnte, dass ihre Kinder ihre Schullaufbahn in den gewählten Schulen zu Ende führen können und nicht das Damoklesschwert eines unnötigen Schul- und Ortswechsels über sich verspüren mussten.
Nach wie vor stellt die Schule im Ort nämlich den Motor für familien- und gesellschaftpolitische Entwicklungen und Entscheidungen dar, sodass mit ausgereiften Clusterplänen und deren Umsetzung auch bildungspolitisch Steuerungsprozesse so vollzogen werden können, dass sie allen Beteiligten in der Schulpartnerschaft zum Vorteil gereichen. Allerdings können die dafür wichtigen Faktoren Schul-, Personal- und Prozessentwicklung von den Clustern nur mit Hilfe des von der Pädagogischen Hochschule professionell ausgearbeiteten Konzepts umgesetzt werden.
Unerlässlich: Pädagoginnen und Pädagogen an Bord holen
Vom neuen Angebot müssen natürlich auch die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulstandorten, die eine Cluster-Lösung betrifft, überzeugt sein. Es ist verständlich, dass hier zunächst Sorgen und Ängste über den Weiterbestand der eigenen Schulen und vor allem über die Sicherheit der eigenen Anstellung bestehen. Im Rahmen der burgenländischen Pilotprojekte hat sich jedoch herauskristallisiert, dass die teilnehmenden Schulen aufkommende Personalprobleme, etwa im Fall von Krankenständen, besser und weniger kompliziert lösen können als vorher. Auch können Ressourcen effizienter und zielgruppengerechter verteilt werden. Der Stolz und das Vertrauen der Politik, aber auch der Eltern, in die „neue, innovative Schule“ stellen für die Motivation der Lehrpersonen einen ebenfalls nicht zu unterschätzenden Faktor dar.
Selbstverständlich sind auch etwaige Bedenken ernst zu nehmen und keine Lehrperson sollte ohne ihre Zustimmung zum Unterrichten in einem anderen Schultyp verpflichtet werden. Umgekehrt ist es aber als positiv zu verzeichnen, wenn Lehrer/innen und Lehrer auch den Schritt wagen, neue Herausforderungen anzunehmen und auch andere Gruppen als bisher unterrichten – und solche Kolleg/innen gibt es dankenswerterweise genügend. Für die Clusterleitungen kommt für eine gedeihliche Personalentwicklung noch der Vorteil hinzu, dass sie nicht mehr nur aus einem Pool von bspw. 3 Lehrkräften, sondern plötzlich aus einem Personalstand von 15 Lehrer/innen auswählen können. Dies bedeutet, dass damit die Unterrichtsgarantie besser erfüllt werden kann und die Eltern auch die positive Botschaft vermittelt bekommen, dass kaum Unterrichtsstunden entfallen.
Innovation durch Clusterbildung
Die Beschreitung effektiver pädagogischer Wege steht im Cluster im Mittelpunkt: Lehrer/innen aus den NMS können in den VS erste IT-Unterrichtsstunden halten, damit die späteren Übergänge leichter fallen; Lehrer/innen aus den VS, die die Bereiche Bildnerische Erziehung und Musikerziehung bestens abdecken, können erfolgreich mithelfen, personelle Engpässe an den NMS in diesen Unterrichtgegenständen mehr als auszugleichen. Diese Modelle der Transition sind nur zwei Möglichkeiten, die in Zukunft sicher ausgebaut werden können. Die pädagogische wie auch personelle Leitfrage wird in den Clustern zukünftig sicher lauten: „Was kann eine Lehrperson besonders gut und wo kann sie diesbezüglich bei eigener Zustimmung eingesetzt werden?“
Neben pädagogischen, schulorganisatorischen und personaltechnischen Vorteilen haben die Pflichtschulcluster im Burgenland bislang aber bereits noch zahlreiche weitere positive Begleiterscheinungen mit sich gebracht: So entstand im Seewinkel eine viel beachtete, verstärkte regionale Kooperation mit dem Nationalpark, der nun nicht mehr nur punktuell, sondern regelmäßig Ranger in die Clusterschulen schickt und Projekte durchführt. Weiters haben die Clusterschulen durch ihre zahlenmäßige Vergrößerung in der Außenwirkung nun auch ein gewichtigeres Mandat und können sich nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in Verhandlungen mit den Schulerhaltern mehr Gehör und eine stärkere Position verschaffen, speziell wenn es um Mittel- und Ressourcenbeschaffung geht.
Die strategische Leitung ist die Basis des Erfolgs
Jeder Cluster ist aber nur so erfolgreich und effizient, wie es seine Leitung strategisch anlegt und wie engagiert das agierende Team von Unterrichtenden das neue Konzept umsetzt. In jedem Fall kommt den Clusterleiterinnen und Clusterleitern im Hinblick auf die Bildungsverantwortung eine wichtige Schlüsselfunktion zu. Die Schulleitungsprofile an den Clusterschulen unterscheiden sich nämlich in ihrer Vielfalt und Intensität doch sehr von den Leitungs- und Führungsaufgaben in Einzelschulen:
„Ich versuche schon, jeden Tag an jedem meiner drei Schulstandorte NMS Illmitz, VS Illmitz und VS Apetlon präsent zu sein, weil das von den Kolleg/innen, aber auch von den Eltern so gewünscht wird. Da wird das Phänomen der Zeitnot doch etwas schlagend, zumal die Unterrichtsverpflichtung von 8 Stunden ja auch gewissenhaft zu erfüllen ist“, meint Clusterleiterin Brigitte Renner, die für ihre drei Schulen, die ungefähr 3 km auseinanderliegen, einerseits die Suppliervorteile bei der wechselseitigen Verwendung von VS- und NMS-Lehrkräften hervorhebt, andererseits aber auch die neuen Herausforderungen des vielfältigeren Unterrichtens für ihre Lehrer/innenteams erwähnt haben möchte.
Margit Binggl, Clusterleiterin im Bildungscluster Andau mit der VS Andau, der VS Tadten und der NMS Andau, sieht auch im Umgang mit ihren eigenen Zeitressourcen die größte Herausforderung für die Bewältigung ihrer Leitungsaufgaben: „Meine Standorte sind es eigentlich gewohnt, dass ich immer da bin – das bedeutet sehr oft zusammenpacken und jeweils 4 km hinfahren, um schulorganisatorische und pädagogische Aufgaben wahrzunehmen oder um Öffentlichkeitsarbeit mit unseren zahlreichen schulischen und außerschulischen Kooperationspartnern zu leisten.“ Dass es dazu aber auch große Vorteile gibt, wie den stärkenorientierten Lehrer/inneneinsatz oder die Anschaffung von Büro- und Ausstattungsgegenständen, die von allen Schulen benötigt werden, sowie das grundsätzlich interessante Aufgabengebiet, möchte Kollegin Binggl ebenso erwähnt wissen wie die Tatsache, dass der Cluster die ideale Lösung für eine nachhaltige Bildungsnahversorgung darstellt.
Eine völlig andere Situation wie seine beiden Kolleginnen findet CL Norbert Kappel vor, der in Frauenkirchen einen Cluster mit NMS, PTS, VS und ASO in einem Gebäude leitet. Aufgrund der Schüler/innenzahl über 200 (tatsächlich sind es 270) besteht für den Leiter keine Unterrichtsverpflichtung, er kann sich also voll und ganz seinen Leitungsaufgaben widmen. „Wenn Schüler/innen oder Eltern nun mit diversen Anliegen zu mir kommen, muss ich natürlich zunächst fragen, aus welcher meiner vier Schulen sie kommen, damit ich mich professionell auf die unterschiedlichen Kontexte einstellen kann. Das gelingt aber immer besser, ebenso wie die Terminkoordination mit den Schulpartnern, die nun auch merklich mehr werden, weil die Identifikation der Schulerhalter, der Gemeinden, der Wirtschafts- und Tourismusvertreter, aber auch der Musik- und Sportvereine mit dem Schulcluster ebenfalls größer wird, zumal wir auch schon eine eigene Cluster-Zeitung ins Leben gerufen haben.“
Erfolgsstrategie: Enge Kooperation mit der Region
Aufgrund dieser Entwicklung in Richtung mehr Kommunikation und Kooperation innerhalb des Bezirks mit immer mehr Stakeholdern hat Direktor Kappel einen sehr effektiven „Cluster-Beirat“ geschaffen, auf den er große Stücke hält, wenn es um bildungsstrategische, operative und finanzielle Fragen geht, an deren Bearbeitung eben nicht nur Schulvertreter/innen beteiligt sein sollen. Außerdem dient das Rathaus in Frauenkirchen in der Zwischenzeit auch als Veranstaltungsort für Großkonferenzen (etwa für die Planung von Cluster-Festen) und pädagogische Tage – durchaus ein erwünschtes Auslagern von Schulaktivitäten zu den Partnern in der Region. Durch die strukturellen Änderungen des Pilot-Projekts profitieren also alle Mitglieder der Schulgemeinschaft, vor allem aber die Schüler/innen und auch die Lehrkräfte, weil mittlerweile auch die Beginn- und Öffnungszeiten einheitlich gestaltet wurden und das wechselseitige Unterrichten in anderen Schultypen zur durchaus populären Regel wurde. So unterrichten zum Beispiel die NMS-Englisch-Lehrer/innen auch Englisch an der VS, die Sportlehrer/innen der NMS gestalten phasenweise den Sportunterricht und die Wettbewerbe an der VS mit, und die ASO-Lehrer/innen unterstützen den Integrationsunterricht in VS und NMS, ebenso wie die 1.Klasse in der NMS noch von VS-Lehrkräften zur besseren Bewältigung der Transition mitbetreut wird. Positiv betroffen sind von dieser Entwicklung im Cluster natürlich auch die Bereiche Bildnerische Erziehung und Musikerziehung, die bereits oben angeführt wurden, sowie weitere Personalmanagementmaßnahmen, etwa, wenn bei einem Langzeitkrankenstand an der PTS eine NMS-Lehrkraft den Unterricht ohne administrative Hürden übernehmen kann.
Drei burgenländische Erfolgsstories
Im Seewinkel und am Heideboden scheint also durch die Errichtung der Bildungscluster in Frauenkirchen, Andau und Illmitz ein erfolgreicher Schritt gelungen zu sein, der Vorbildcharakter für ähnlich betroffene Schulstandorte im gesamten Bundesgebiet haben könnte. In den speziellen Situationen konnte neben der Schul- und Unterrichtsqualität, auch der Personaleinsatz eindeutig verbessert werden konnte. Wie aus den vielen positiven Erfahrungen abzuleiten ist, sind die Bildungsverantwortlichen hier mit Mut zur Sache gegangen und haben auch die beteiligten Lehrpersonen als Schlüsselakteur/innen von der Sinnhaftigkeit der Verclusterungen überzeugen können. Ein Cluster wird zwar nicht überall die Ideallösung sein, im Seewinkel hat diese Lösung aber alle Mitglieder der Schulpartnerschaft neu inspiriert und auch zu nachgewiesenen Verbesserungen für die Bevölkerung geführt.
Es ist schließlich die wichtigste Aufgabe der Verantwortlichen in der Bildungspolitik, die Chancengleichheit bei der Schul- und Bildungswahl für alle zu gewährleisten und die positive Schulentwicklung über kompetente Schul- und Clusterleitungen voranzutreiben. In diesem Sinne ist der Bildungsdirektion für das Burgenland, ihren SQM, den Clusterleiter/innen und den beteiligten Lehrpersonen zu den innovativen Umsetzungsmaßnahmen zum Wohle der Kinder und Jugendlichen im Bundesland zu gratulieren!
Ein besonders großes Dankeschön sei für diese Analyse und den Status-Quo-Report auch noch einmal Werner Zwickl, Margit, Binggl, Brigitte Renner und Norbert Kappel ausgesprochen, die das Zustandekommen dieses Berichts auf sehr positive Art und Weise unterstützt haben und die als Motoren für die erfolgreichen Pflichtschulcluster in ihrer Bildungsregion angesehen werden können.