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Das Schulleitungsprofil: Die sich wandelnde Rolle der Schulleitungen
Während Schulen zunehmend mehr Autonomie überantwortet wird, ändert sich gleichzeitig die Rolle der Schulleitungen. Wir haben mit Stefan Brauckmann, empirischer Bildungsforscher mit Fokus auf Schulleitung im Kontext von New Public Management, darüber gesprochen, vor welchen Herausforderungen die Direktorinnen und Direktoren zukünftig in den Schulen stehen werden.
Worin unterscheidet sich die neue Rolle der Schulleitung von der alten?
Grundsätzlich müssten wir meines Erachtens in Frage stellen, ob wir bisher überhaupt ausnahmslos von Leitung sprechen konnten oder nicht eher der Begriff der „Verwaltung“ korrekter wäre. Der neue Führungsanspruch, den wir gegenwärtig erleben, geht stark auf die Bildungsreform zurück, die eine Erweiterung der Eigenständigkeit der Schulen vorsieht. Heute lässt man die Schulen stärker Selbststeuerung wagen.
Welche Schritte sind dafür entscheidend?
Derzeit steht das Angebot im Raum, dass die Schulleitungen künftig ihre Teams aus Lehrkräften selbst zusammenstellen können. Das bedeutet einerseits, dass sie stärker Akzente setzen können: Sie können Lehrerinnen und Lehrer suchen, die zur Schulphilosophie passen und mit denen man folglich gemeinsam bestmöglich arbeiten kann. Andererseits bedeutet es aber auch, dass die Schulleitungen mehr Wissen über Personalauswahl, -führung und -entwicklung brauchen, als dies bisher der Fall war.
Die Schulleiter/innen werden aber weiter selbst Lehrerinnen und Lehrer sein?
Die Situation ist derzeit tatsächlich so, dass Schulleiterinnen und Schulleiter beinahe überall aus dem Lehrer/innenkollegium kommen. Ich finde, dass man durchaus in Frage stellen könnte, warum diese Rollen noch so stark aneinandergebunden sind und ob es nicht sinnvoll wäre zumindest darüber nachzudenken, zukünftig Schulleiter/innen auch aus anderen Professionen zu rekrutieren. Solche Gedankenspeile werden vielleicht sogar nötig werden.
Warum?
Ich denke, dass wir auch in Österreich – äquivalent zu Deutschland – in den nächsten Jahren große Probleme damit haben werden, offene Leitungsstellen an den Schulen zu besetzen. Die Rolle der Schulleitung erleben angehende wie derzeitige Stelleninhaber/innen als höchst ambivalent. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf die gestiegene Komplexität und das Hinzukommen weiterer Aufgabenbereiche. Die prognostizierbare Pensionierungswelle von Schulleiter/innen in den nächsten Jahren tut ihr Übriges für eine unerquickliche Gemengelage, die gleichermaßen Handlungs- wie Gestaltungsbedarf signalisiert.
Worin orten Sie Probleme?
Wir leben im Zeitalter der Output-Orientierung und das kann mitunter bedeuteten, dass Erfolge der Schule dem gesamten Kollegium zugerechnet, Misserfolge aber der schlechten Performance der Schulleitung im Sinne eines Missmanagements angelastet werden. Die Autonomie der Schulen macht Schulleitungen zwar frei darin, den Weg zu definieren, das Ziel ist aber von außen bestimmt, nämlich möglichst gute Leistungen der Schülerinnen und Schüler.
Warum soll der Beruf dennoch für jemanden interessant sein?
Viele finden an der Position der Schulleitung attraktiv, dass sie ihre Vision von guter Schule realisieren können und zu einem gewissen Grad die Gestaltungsmacht haben, Neues und Eigenes umzusetzen, idealiter unter Zuhilfenahme administrativer Unterstützungssysteme. Was aber potentielle Interessent/innen an einer stärker profilierten Führungsrolle abschreckt, wirkt auf andere vielleicht gerade anziehend. In diesem Zusammenhang gilt für mich der Spiderman-Spruch: „With great power comes great responsibility.“ Vielen macht es zum Glück auch Freude, für die Schule als Ganzes Verantwortung zu tragen.
Lässt sich diese Verantwortung nicht von mehreren Schultern leichter tragen?
Ja, diese Haltung ist aber an vielen Schulen noch nicht verankert. Ich frage zu Beginn meiner Vorträge vor Schulleiter/inne/n häufig: „Wer ist denn hier die Schulleitung?“ Es gibt immer zumindest einen, der sich meldet und sinngemäß sagt: „Le Schulleitung, c’est moi!“ Das ist meines Erachtens genau das strukturelle Missverständnis. Er ist nicht die Schulleitung, sondern der Direktor. Idealerweise ist die erweiterte Schulleitung ein Leadership-Team mit Kolleg/inn/en, die ebenfalls mehr organisationsbezogene Führung wagen wollen. In manchen Schulen finden wir auch durchaus schon Ansätze eines mittleren Managements. Aus zahlreichen Erhebungen wissen wir, dass Schulleiter/innen ein großes Entlastungserleben aus diesen verteilten Führungspraxen beziehen.
Sind Schulleiter/innen hinreichend auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet?
Dazu fehlen uns empirisch belastbare Befunde in Österreich. In Deutschland zeigte sich, dass viele ihre Leitungskompetenz aus der Vernetzung mit anderen Schulleitungen beziehen. Mittlerweile ist es in Österreich ja so, dass die neuen Schulleiter/innen eine verpflichtende Ausbildung, angeboten von den Pädagogischen Hochschulen, absolvieren müssen. Hier brauchen wir aussagekräftige Evaluationsdesgins, mit denen wir die Wirksamkeit solcher Qualifizierungsprogramme messen können. Hierzu würde ich gerne einen Beitrag leisten.
Wissen Schulleiter/innen, was auf sie in ihrer Rolle zukommt?
Leadership ist in der Lehramtsausbildung derzeit nicht verankert. Mittlerweile gibt es aber das Schulleitungsprofil (erstellt unter der Projektleitung von Mag.a Helga Braun vom BMBWF), das dabei unterstützt, mehr Klarheit für Stelleninhaber/innen und Aspirant/inn/en gleichermaßen zu schaffen. Es bietet einen Rahmen für effektives Leitungshandeln und bildet ab, was Schulleitungen machen können. Damit soll auch klarer werden, was Schulleitungen nicht machen können. Viele fühlen sich für alles und jeden verantwortlich, was zu einer starken Belastung führen kann. Wenn alles eine Frage der Führung ist, werden wir eine Führungslosigkeit erleben, weil dann alles beliebig wird. Das Schulleitungsprofil ist in diesem Zusammenhang ein ebenso wichtiges wie innovatives Handwerkszeug, um an der Ausschärfung der eigenen Führungsrolle zu arbeiten. Ein Schritt Richtung mehr Professionalisierung von Schulleitungen in Österreich ist damit getan.