Mit dem Newsletter zur Schulautonomie informieren wir Sie regelmäßig über alle Neuerungen auf dem Blog sowie über spannende Themen rund um Schulautonomie und Bildungsreform.
Autonome Schulen sind situationselastisch und krisenfest
Woran erkennt man eine gute Schule? Eine gute Schule erkennt man daran, dass sie lernseitig orientiert ist. Ihr Fokus liegt aus jedem Blickwinkel und in jeder Situation auf den Lernenden, auf deren Individualität, auf deren Begabungen und Bedürfnissen. Diese Haltung ist im schulischen Kontext die grundlegende Voraussetzung dafür, wenn man die systemische Zielvorgabe des österreichischen Schulwesens ernst nimmt, Schülerinnen und Schüler – unabhängig von sozialer Herkunft, Geschlecht, Sprache, ethnisch/kultureller Herkunft, Religionszugehörigkeit und Beeinträchtigung – ihren individuell besten Bildungsweg beschreiten zu lassen.
„Junge, selbstbewusste Menschen sehen ihre Perspektiven. Sie nutzen ihre Chancen und blicken dem weiteren Lebensweg erwartungsvoll, neugierig und positiv entgegen. Sie wissen, dass sie ihr privates und berufliches Leben meistern können. Als aktive Mitglieder der Gesellschaft übernehmen sie Verantwortung. Sie wissen um die Bedeutung von Mitbestimmung und Mitgestaltung an ihr,“ so lautet die visionäre Vorgabe an das Bildungssystem, das sich gerade eben danach auszurichten versucht.
Und dann kommt da plötzlich so ein Virus daher, verbreitet und schürt Überlebensängste und stellt das alles in Frage!? Von wegen, dem weiteren Lebensweg erwartungsvoll, neugierig und positiv entgegenblicken…
Wir alle haben ein Trauma durchgestanden. Für manche hat es sich vielleicht nicht ganz so angefühlt, für andere war es schlimmer. Auch jene Kinder, denen es zu Hause an nichts gefehlt hat, mussten miterleben, wie die gesamte Gesellschaft um sie herum in eine Schockstarre verfiel, wie Selbstverständlichkeiten sich in Luft auflösten, wie plötzlich niemand mehr wusste, wie es nächste oder übernächste Woche weitergehen wird.
Das, was die Schüler und Schülerinnen durchlebt haben, war von ihrer vorher ge- und erlebten Normalität weit entfernt. Distance Learning hat sich aus der Sicht der Betroffenen deshalb auch unterschiedlich angefühlt, sowohl für die Schüler und Schülerinnen, als auch für die Pädagogen und Pädagoginnen und natürlich auch für die Eltern.
Eigenverantwortung und Selbsttätigkeit sind die Basis für ein gelingendes Distance Learning
Eine gute Schule geht in der Begleitung ihrer Schülerinnen und Schüler immer und jederzeit in Beziehung. Auch in so einer Lebenskrise. Sie kommuniziert offen, mit Respekt und unterstützt individuell, loyal und unbürokratisch. Eine sehr gute Schule nützt hierzu auch noch die autonome Freiheit, um die unterschiedlichen Lebensbedingungen und Lernvoraussetzungen ihrer Lernenden standortbezogen – gerade in so einer Belastungssituation – zu optimieren. Die gegenseitige Wertschätzung der Schulpartner im gemeinsamen Entwicklungsprozess hat auch in der Krise das nötige Vertrauen zu einer gewinnbringenden, motivierenden Zusammenarbeit und zum Erreichen des bestmöglichen Lernerfolges geschaffen.
Die Erkenntnis, dass ein jahrelanger Musterwechsel zu digitalen Lernplattformen und digitalem Unterricht durch Covid 19 enorm beschleunigt wurde, ist nicht wegzuleugnen. Erfolgreiche Lehrstoffvermittlung über digitale Kanäle hat zwar kurzfristig zu einer durchaus gewinnbringenden Festigung des Lernstoffes im Distance Learning beigetragen und über den Lockdown geholfen, es wäre jedoch ein grober strategischer Fehler zu glauben, dass über Datenhighways transportiertes, unreflektiertes Wissen zu nachhaltigen Lernerfolgen führt.
Ein Lernerfolg stellt sich im Umgang mit Lernstoff erst dann ein, wenn der/die Lernende gelernt hat, sich mit dem Lernstoff auseinanderzusetzen, wenn er/sie oftmalig im Unterricht miterlebt hat, wie man über ein erlesenes Wissen zum Verstehen kommt und was er/sie daraus als Können für sich mitnehmen kann. Hierzu muss der/die Lernende vorerst einmal überfachliche Basiskompetenzen verfügen, wie beispielsweise:
- Personelle Lebenskompetenz (Selbstwert, Selbstorganisation, Reflexionsgabe, Neugierde, Humor, Kreativität, Flexibilität, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, differenziertes Wahrnehmungsvermögen, vernetztes Denken …)
- Soziale Kompetenz (Teamfähigkeit, Werte, Überzeugung, Zivilcourage, Empathie, Kooperationsverhalten, Konfliktlösung, ethnische und kulturelle Akzeptanz)
- Eigeninitiative und unternehmerische Kompetenz (Selbst- und Projektpräsentation, Problemlösungskompetenz, selbstgesteuertes eigenverantwortliches lebenslanges Lernen…)
Eine sehr gute Schule hat solche überfachlichen Kompetenzen nicht nur im Leitbild verankert, sondern auch in der Schul- und Unterrichtsentwicklungsplanung mitbedacht und durch autonome und schulinterne Curricula im Lernprozess abgesichert. Abgesichert durch ein Lehrpersonal, das in der Haltung und im Tun davon überzeugt ist, dass Lernen ausschließlich unter der Berücksichtigung von Individualisierung und Kompetenzorientierung zu definierten Zielvereinbarungen führt.
Deshalb ist es auch notwendig, dass Lehrende die Lernangebote dementsprechend individualisiert für die zu betreuenden Lernenden aufbereiten – vielleicht sogar fächerübergreifend:
- Lernen nach Begabungen (Lernangebote im naturwissenschaftlichen, kreativen/musischen, kommunikativen und sportlichen Bereichen – Begabungsangebote durch externe Expert/inn/en)
- Lern- und Arbeitswelten (Schaffen von Rahmenbedingungen hinsichtlich eines „Open space-Working“ – Themenstellung-Arbeitsaufträge – Inputs bekommen oder holen, Recherche – Ausarbeitung einzeln oder im Team – Präsentation – Reflexion)
Eine sehr gute autonome Schule schafft solche Voraussetzungen, weil sie ihrer Zeit voraus ist. Das muss sie sein, weil sie die Schülerinnen und Schüler auf die Zukunft vorbereitet und sich im Wissenserwerb nicht in der Vergangenheit vergräbt, was jedoch nicht missverstanden werden soll – erst das Wissen über die Erfahrungen aus der Vergangenheit führt oft zu einem Verstehen der Zukunft.
Sehr gute autonome Schulen haben auch in der Krise hervorragende Arbeit geleistet und die Schülerinnen und Schüler individuell digital, analog, oder sozial betreut durch den Lockdown geführt. Sehr gute autonome Schulen haben ständig mit ihren Schülerinnen und Schülern, sowie mit deren Eltern Kontakt gepflegt, die behördlichen Vorgaben standortbezogen umgesetzt und Feedback eingeholt, damit auch die blinden Flecken das nächste Mal abgedeckt werden können. Sehr gute autonome Schulen haben die ihnen anvertrauten Heranwachsenden im österreichische Schulsystem gut durch die Krise gebracht. Ich bin stolz darauf, einige von ihnen als Schulqualitätsmanager in dieser schwierigen Phase begleitet haben zu dürfen.