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Die Pädagogische Hochschule als Begleiter des Clusterbildungsprozesses
Interview mit Mag.a Rosemarie Lehner, Schulentwicklungsberaterin an der Pädagogischen Hochschule Burgenland.
Sehr geehrte Frau Mag.a Lehner, mit Beginn des Schuljahres 2018 wurden im Burgenland bundesweit die ersten APS-Pilotcluster Ihrer Bestimmung übergeben. Sie waren somit die erste Schulentwicklungsberaterin auf Bundesebene, die seitens der Pädagogischen Hochschule gleich vier Cluster zur Beratung und Begleitung zugeteilt bekommen hatte. Wenn Sie heute Rückschau halten – wie und nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Begleitung angelegt?
Als mir der Auftrag der Koordination und Beratung der Clusterbildungsprozesse übertragen worden war, ging es aus meiner Perspektive im ersten Schritt vor allem darum, strukturelle und strategische Eckpunkte dieser Aufgabe zu überdenken. Zu diesem Zeitpunkt gab es von Seiten des BMBWF den Entwurf eines Leitfadens zu Clusterentwicklungsprozessen. Mittlerweile ist dieser als Broschüre publiziert und ich möchte rückblickend sagen, dass dieser Leitfaden ein sehr unterstützendes Instrument für alle an diesem Prozess Beteiligten ist.
Es stellte sich zudem zunächst die ganz pragmatische Frage nach möglichen freien Ressourcen zur Beratung, sowie in welcher Weise sich die künftigen Clusterbildungsprozesse an die Entwicklungen der Standorte im Kontext des regionalen Bildungsmanagements in einen sinnvollen Einklang zu bringen wären. Das regionale Bildungsmanagement im Burgenland bindet alle Pflichtschulen seit mehreren Jahren in systematische Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozesse ein. Diese langfristig angelegten Schulentwicklungsberatungen werden in Abstimmungsprozessen der Bildungsdirektion Burgenland mit der Pädagogischen Hochschule Burgenland entwickelt und im Kontext des RBM umgesetzt. So stellte sich mir die Aufgabe, die regionalspezifischen Situationen mit den Anforderungen der Clusterentwicklungsprozesse in Passung zu bringen.
Dies mündete letzten Endes in der Erarbeitung eines Konzepts, als Ergänzung zum Leitfaden des BMBWF, mit den Intentionen, ein Referenzinstrument für nachfolgende Clusterbildungen zu haben und eine Grundlage für einen theoriegeleiteten Austausch oder Intervisionen für Entwicklungsbegleiterinnen zu Beratungsverständnis und Beratungsansatz zu schaffen.
Abseits dieser eher technischen Überlegungen war ein weiterer bedenkenswerter Punkt, wie sich der Prozess der Zusammenführung von Standorten, also die Zusammenführung von Menschen aus verschiedenen „Schulhäusern und Schulkulturen“, auf der sozial-kommunikativen und emotionalen Ebene zeigen würde. Es war doch eher nicht davon auszugehen, dass dieser Zusammenschluss einer Liebesheirat ähneln würde, vielmehr, würde es unter Umständen von einigen Akteur/inn/en als Vernunft- oder gar Zwangsehe wahrgenommen werden. Das betraf nicht nur jene, die in den Schulhäusern ihren Aufgaben nachkommen, sondern auch relevante Umwelten der Schule wie Eltern, kommunale Strukturen u.a. – in gewisser Weise rüttelt die Clusterbildung an fest eingeschriebenen gesellschaftlichen Ordnungen.
Sie erwähnen die Erstellung eines Begleitkonzeptes. Könnten Sie kurz auf die Eckpunkte dieses Konzeptes eingehen und Ihre Überlegungen hierzu beschreiben?
Ein Eckpfeiler bezog sich auf den Beratungsansatz. Das war dem Umstand geschuldet, dass vor allem der klassische Ansatz der Organisationsentwicklung traditionell die Ausrichtung in der Schulentwicklung war. In den letzten Jahren erweiterte sich die Perspektive zwar und die Unterrichtsentwicklung rückte zunehmend in den Fokus (wobei die Personalentwicklung natürlich auch ihren Platz fand), jedoch wurde dies aus meiner Sicht der Komplexität von Schule nur bedingt gerecht. Zentral ist aus meiner Sicht, die Perspektive auf das Zusammenspiel dieser Elemente zu legen.
Der Qualitätsanspruch an Schule und ihre Akteurinnen und Akteure, unabhängig ob Cluster oder Einzelschule, bedarf auch eines Umdenkens auf der Schulentwicklungsberatungsebene. Die Reformschritte der letzten Jahre – ein Stückweit auch Antwort auf gesellschaftliche Entwicklungen – verlangen von Führungskräften und Lehrkräften neben der Fach- und fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Expertise eine Arbeitskultur der Kollaboration, eine Verantwortungsübernahme über das eigene Fach hinaus – kurz, eine veränderte Kultur des Miteinanders, um die Aufgaben bewältigen zu können. Daher findet sich im Konzept der Beratungsansatz der „Pädagogischen Organisationsentwicklung und der organisationsbezogenen Unterrichtsentwicklung“, schlicht der Ansatz einer „komplexen Schulentwicklung“.
Ein weiteres vom Leitfaden abweichendes Element stellt die Bezugnahme zum Schulprogramm dar. Hier habe ich mich an Holtappels und Maritzen orientiert und habe mit dem Begriff des Clusterprogramms tituliert. Zur Rahmung der „Big Pictures“ und als Instrument der inneren Kommunikation sowie zur Kommunikation nach außen, umfasst es neben dem Leitbild und dem Pädagogischen Konzept auch den jährlichen Entwicklungsplan und führt so das Einzelne in ein Gesamtbild, in einen Qualitätsrahmen. Es unterstützt Führung und Lehrkräfte dabei, die Komplexität der Anforderungen zu reduzieren und lässt sich als Qualitätshandbuch einordnen.
Auf welche Organisationsebenen ist das Unterstützungsangebot ausgerichtet?
Konkret bezieht sich das Unterstützungsangebot auf mehrere Ebenen mit unterschiedlichen Intentionen, wobei diese Ausrichtung auch für die nachfolgenden Clusterbildungen beibehalten wurde. Zum Ersten finden auf einer landesweiten Ebene mehrmals im Studienjahr sogenannte „Cluster Conferences“ statt. Dieses Format richtet sich an die Clusterleitungen und ihre Steuergruppen, bei uns „Cluster Managementteams“ bezeichnet. Diese Konferenzen bieten Raum für Information, Klärung von Fragen, den Austausch und die Vernetzung zwischen den Clusterleiterinnen und ihren Teams. Darüber hinaus sind es vor allem Führungsthemen, wie Delegation, Leadership/ Shared Leadership, Funktions und Rollenkärung, die den inhaltlichen Part ausmachen.
Dem kontinuierlichen Informations-Update dient eine Lernplattform bzw. für aktuelle Fragestellungen stehen dort der Chatroom bzw. auch ein Angebot von Micro-Teleberatung zur Verfügung. Auch das Angebotsformat für Schulqualitätsmanager/innen und Clusterleitungen ist zentral. Ergänzt ist das Unterstützungsangebot durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von standortspezifische Clusterentwicklungsberatung.
Wurden Sie bei der Umsetzung Ihres Auftrages auch wissenschaftlich begleitet?
Ja, die Entwicklungsprozesse in den Pilotclustern wurden mit dem Ziel der Generierung von Evidenzen zur Entwicklungsberatung über ein Jahr forschend begleitet. Der Datengewinn erfolgte durch Interviews mit den Clusterleitungen und den Schulqualitätsmanagern und durch teilnehmend Beobachtung in den Cluster Conferences.
Darf man fragen, zu welchen Erkenntnissen und Ergebnissen diese wissenschaftliche Begleitung führte?
Die vor gut einem Jahr präsentierten Studienergebnisse können durchaus als Triebfeder für die Weiterarbeit der Schulentwicklungsberaterinnen bezeichnet werden. Vielleicht einige Punkte:
Die Clusterleitungen fühlten sich im Projektmanagement, in der Organisation von pädagogischen Konferenzen, bei der Visionsarbeit und Ideenfindung bezüglich pädagogischer Innovationen sehr unterstützt. Sie nahmen die Berater/innen als ständige und verlässliche Partner/innen wahr und erachteten Beratung als notwendig im Clusterentwicklungsprozess.
Von Seiten der Schulqualitätsmanager/innen wurde die Notwendigkeit von Beratung in diesem Prozess ebenso postuliert. Auch diese Ebene fühlte sich inhaltlich gut begleitet und unterstützt bei der Etablierung und Begleitung von Steuergruppen und auch als Ansprechpartner.
Können Sie aus Ihrer Rolle als Schulentwicklungsberaterin Unterschiede in der Beratung von Einzelschulen und Clustern erkennen?
Rückschauend würde ich sagen, dass sich die die Qualitätsansprüche an Schulen im Allgemeinen und an ihre Lehrkräfte im Kern nicht groß unterscheiden. Und dies gilt auch für unterschiedliche Schularten und –stufen. Unterschiede gibt es in den Fachbereichen – aber nicht in jenen Kernprinzipien die gute Schule ausmachen. Das ist aus meiner Sicht auch für Schulcluster oder Einzelstandorte gültig.
Ein wirklich bedeutender Unterschied liegt in der sozialen Transformation, sowohl im Innen als auch im Außen. Im Innen durch den Anspruch der Zusammenführung von Standorten mit ihrer jeweils eigenen etablierten Handlungspraxis und Kultur des. Die Konfrontation mit neuen Funktionen, Rollen, Abläufen, neuem administrativen Personal, neuer Leitung – all dies erzeugt Unsicherheit, vielleicht sogar Ängste.
Im Außen, bei Eltern, Gemeinden bis zum Stammtisch sind es ebenso Wirkmechanismen, die mit dem Verschwinden von Gewohntem einhergehen. Ich würde dies als Prozess der Deregulierung benennen. Diese Deregulierung passiert auch in Einzelschulen, wenn es um die Erstellung von kompetenzorientierten Planungen oder um Individualisierung – um Veränderung von habitualisiertem Handeln geht. Im Zuge der Clusterbildung ist der Wandel der Gewohnheiten weitreichender.
Wenn Sie nun zum Schluss Gelingensfaktoren einer erfolgreichen Clusterbildung benennen müssten, welche würden Ihnen einfallen?
Zentral ist aus meiner Sicht, sich für die Klärung und Vorbereitung in der ersten Phase Raum und Zeit nehmen, die Faktenlage, monetäre Bedingungen, Erwartungen an den Job zu klären und nicht zu beschönigen, sondern die Sachlage klar darstellen. Dies ist der Nährboden, auf dem sich die Clusterleitung den ersten Herausforderungen, die sich vor allem in Bereichen der Information, internen und externen Kommunikation, Delegation und im nächsten Schritt der pädagogischen Entwicklung und Innovation bewegt, zuwenden kann.
Die dem Prozess immanente Deregulierung in eine Re-Regulierung zu bringen braucht keine besonderen Formate oder Trainings. Vielmehr ist es eine Frage der Zeit, in der Eingebundenheit und Selbstwirksamkeitserleben wichtige Schlüssel sein können. In jedem Fall ist der Umgang mit Veränderung höchst individuell, darauf gilt es Rücksicht zu nehmen.
Mag.a Rosemarie Lehner, Bakk.phil. BEd arbeitet am Institut Fortbildung und Beratung, sowie am Institut für Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule Burgenland.
Ihr Tätigkeitsbereich in der Fortbildung und Beratung umfasst u. a.:
– Leitung für die Clusterentwicklungsbegleitung und Clusterentwicklungsberatung an der PH Burgenland
– Schul- und Unterrichtsentwicklungsberaterin
– EBIS Beraterin
– Rückmeldemoderatorin
– Writing Rater und Speaking Assessor im Kontext der Bildungsstandards
Hier finden Sie das Begleitkonzept für Clusterbildungsprozesse sowie den Clusterplan.
Weitere Informationen zum Thema Cluster finden Sie in folgenden Beiträgen:
Der Clusterorganisationsplan (CLOP) als Management Instrument für den Cluster
Was sagt das Gesetz?
Welche Leitungsfunktionen gibt es?
Wer hilft bei der Clustererrichtung?
Wie wird ein Cluster geleitet? – Arbeitsbehelf für Schulclusterleitungen
Infofolder: Clusterbildung für Schulerhalter und Schulpartner
Clusterbildungen: Was bringen sie wirklich und wann machen sie Sinn?
Clusterbildung: Workshop für Schulentwicklungsberater/innen
„Wer soll Cluster brauchen?“