Mit dem Newsletter zur Schulautonomie informieren wir Sie regelmäßig über alle Neuerungen auf dem Blog sowie über spannende Themen rund um Schulautonomie und Bildungsreform.
„Geht´s der Schulleitung gut, dann geht´s auch den Menschen im System gut.“
Interview mit Prof. Dr. Michael Gutowing zum Aufgabenbereich der Schulleitungen und ihrem Schulleitungsprofil.
Herr Dr. Gutownig, Sie haben gemeinsam mit fünf anderen Fachexpert/inn/en die BMBWF-Broschüre „Schulleitungsprofil – eine praxisbezogene Orientierung für effektives Schulleitungshandeln“ ausgearbeitet. Was war die Idee dahinter, dass Sie diese schulleitungszentrierte „Gebrauchsanweisung“ erstellt haben?
Der klare Fokus lag auf der Stärkung der Schulleitungen. Wir haben uns für die drei Kategorien „Die Organisation führen“ – „Menschen führen“ – „Sich selbst führen“ entschieden, um Schulleitungen klar zu machen, dass sie neben der Organisation vor allem auf die Menschen zu achten haben und ganz besonders auf sich selbst.
Es ist in der Vergangenheit nicht selten passiert, dass Schulleiter/innen es gut hinbekommen haben, die Organisation „Schule“ am Laufen zu halten, für die im System arbeitenden Menschen gab es aber schon viel weniger Zeit und auf sich selbst als Führungspersonen haben sie oft gänzlich vergessen.
Das neue Schulleitungsprofil ist in diesem Sinne durchaus eine „Anleitung zum Glücklichsein“ nach dem Motto: Geht´s der Schulleitung gut, dann geht´s auch den Menschen im System gut.“ – Die Organisation profitiert von dieser Symbiose. Schulleiter/innen dürfen also durchaus auch auf sich selbst schauen.
Sie kommen im Rahmen Ihrer Tätigkeit am Institut für Schulentwicklung mit Ihrem Beratungsservice „Schule.Leitung.Akademie – S.L.A“ häufig mit Schulleiter/inne/n in Kontakt. Was erzählen Ihnen diese über ihre Tätigkeit?
Schulleiter/innen klagen am allermeisten über das Überhandnehmen der Verwaltungstätigkeit. Die berufliche Sozialisierung eines typischen Österreichers/einer typischen Österreicherin hat seit Maria Theresia kontinuierlich erreicht, dass Beamte und Beamtinnen in Österreich folgsam sind, was das Ausfüllen von Listen, das pünktliche Abliefern von Datensätzen und das tägliche Pflichterfüllen betrifft.
In meiner langjährigen Tätigkeit für die EU habe ich sehr schön gesehen, wie unterschiedlich dieses Attribut ausgelegt werden kann: Was terminlich für einen Österreicher/eine Österreicherin einen Tag bedeutete, konnten für eine/n südlicheren „Meeresbewohner/in“ durchaus mehrere Wochen sein.
Dieses „Sofort-entsprechen-müssen“ macht auch den Schulleitungen Stress. Es wird in der Prioritätenliste ganz nach oben gesetzt und stellt alle anderen Handlungen hintan. „Menschen führen“ und „Sich selbst führen“ – dafür bleibt dann, in der subjektiven Wertewelt der Schulleiter/-innen, oftmals nur wenig Zeit. Selbstreflexion und Selbstentwicklung finden erst dann statt, wenn alles andere erledigt ist. Dieser systemische Altruismus kann bis ins Burnout führen.

Der Schlüssel zur Bewältigung der Schulleitungsrolle liegt also auch in der Fort- und Weiterbildung für Schulleitungen sowie in deren beruflich-fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung – nicht nur als Pädagog/inn/en, sondern auch als Manager/innen. Was brauchen diese schulischen Führungskräfte Ihrer Einschätzung nach am meisten?
Das Produkt „Schulleitungsprofil“ ging ja mit der Vorqualifikation für Schulleitungen einher. Die moderne Schulleitung wurde von der Berufung zum Beruf – Schulleiter/innen sind nun also keine Lehrpersonen in besonderer Verwendung mehr, sondern Führungskräfte.
Das Rollenbild hat sich damit grundlegend geändert: Bisher wurde eine Lehrerin oder ein Lehrer mit der Schulleitung betraut. Man bekam aber keine Ausbildung, hatte keine Erfahrungen im Managen oder Führen und es gab auch kein entwickeltes Rollenbild. In dem Moment, wo man die Schulleitung übernahm, war man am schlechtesten ausgebildet. In den SMK (= Schulmanagement-Kurs) kam man erst, nachdem man die ersten zehn Kilometer als Freischwimmer hinter sich gebracht hat.
Nun hat man aber erkannt, dass der Schlüssel zur erfolgreichen Schulleitungsrolle in einer fundierten Ausbildung und in einer kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung liegt: „Sich selbst führen“ ist daher das Gebot der Stunde.
Was diese schulischen Führungskräfte nämlich am meisten brauchen, ist die institutionelle Anerkennung ihrer Berufsgruppe: Das Ministerium, die Bildungsdirektion und ganz besonders die Pädagogischen Hochschulen müssen Schuleiter/innen so behandeln, wie Manager in der Privatwirtschaft behandelt werden. Es muss also vom derzeit üblichen „Double-bind“, dem gleichzeitigen Ziehen nach Oben und nach Unten, abgerückt werden. „Führe eine Schule, aber mach, was ich will.“ Das funktioniert nicht.
Schulleiter/innen stehen heute mehr im Licht der Öffentlichkeit denn je. Sie bekommen Anfragen von den Medien, sind zusehends Interventionen und Beschwerden von Eltern, Rechtsanwälten sowie schulischen und außerschulischen Akteur/inn/en ausgesetzt. Wozu raten Sie ihnen in den Bereichen interne und externe Kommunikation sowie Konflikt- und Krisenmanagement?
Meine Erfahrungswerte zeigen signifikant, dass Schulleitungen zuallererst Rechtssicherheit benötigen.
Das Programm der Pädagogischen Hochschule „Schule.Leitung.Akademie. – S.L.A. “ hat den Schwerpunkt auf Internationalität gesetzt. Wir besuchen exzellente Schulen in Deutschland, Slowenien und Italien. Schulleiter/innen solcher Schulen sind bestrebt, den rechtlichen Rahmen nach all den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszunützen. Dazu muss ich aber juristisch immer wissen, ob ich mich noch in der grauen Zone befinde oder längst schon im freien Fall bin.
Führung bedeutet auch Kontrolle und den ständigen Umgang mit Daten, die Einhaltung von externen Vorgaben und inneren Strategien sowie den Aufbau von Strukturen und das Aufsetzen von schulischen Prozessen. Welche zusätzlichen Tipps kann man da aus Ihrer Sicht den Schulleiter/inne/n zur erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderungen mit auf den Weg geben?
Man braucht als Schulleiter/in eine positive Grundhaltung zur datenbasierten Schulentwicklung und zum Qualitätsmanagement. Es ist vollkommen legitim, wenn das Bildungsministerium oder die Bildungsdirektion den Schulen Vorgaben machen und Daten abfragen.
Schulentwicklungsprozesse können eben nur auf Visionen aufbauend und auf aussagekräftigen Daten basierend gestartet werden, alles andere wäre unseriös.
Was aber von allen Beteiligten – Ministerium, Bildungsdirektion und Schulleitungen – dringend vermieden werden sollte, sind Endlosschleifen, Mehrfachabfragen und Datenfriedhöfe. Das erzeugt Frust.
Herr Dr. Gutownig, ich danke für das interessante Gespräch!