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Pilotschule HTL Mössingerstraße: Digitale Prüfungsumgebungen auf dem Prüfstand
Seit 2017 ist die HTL Mössingerstraße Pilotschule für die Erprobung digitaler Prüfungsumgebungen. Bereits 2018 wurde die erste sRDP im Prüfungsfach Deutsch erfolgreich abgewickelt. Die Planung, Vorbereitung und Durchführung waren schon in Vor-Corona-Zeiten herausfordernd genug, im heurigen Haupttermin am 20.5. kamen noch die Hygiene und Abstandregeln hinzu und die technischen Voraussetzungen mussten entsprechend adaptiert werden. 130 Reifeprüfungskandidat/inn/en wurden je nach Raumgröße in Gruppen von 5 bis 13 Schüler/innen auf insgesamt 15 Klassenräume verteilt, die internen Netzwerk und Server-Kapazitäten mussten aufgerüstet werden und ein ausgeklügeltes System von Beaufsichtigungen musste über 3 Stockwerke gelegt werden.
„Nachdem alle Beteiligten, Maturant/innen und Lehrer/innen, diese Prüfung gleichermaßen durchführen wollten, war der Arbeitseinsatz auf allen Ebenen mustergültig“ resümiert Direktor Hubert Lutnik und betont, dass vor allem die Zurverfügungstellung der Prüfungsaufgaben durch das BMBWF, deren Design und das Format „State-of-the-art“ gewesen wären. Weder im Bereich der Hard- noch der Software hatte es Pannen gegeben, das schulinterne Netzwerk, die Datenspeicher und die Drucker, die die elektronisch geschriebenen Arbeiten ausdruckten, waren nie an ihrer Kapazitätsgrenze.
Erfahrung und Übung als wesentliche Erfolgsfaktoren
„Wichtig dabei ist, dass man für das System einen technisch versierten Koordinator hat, der die Kooperation mit den verantwortlichen Stellen pflegt und die Einschulung der Lehrer/innen auf dieses System vornimmt“, lobt Direktor Lutnik seinen Projektleiter Daniel Wischounig-Strucl, der auf seinem Dashboard die einzelnen Rollen und Server-Gruppen, aber auch die CPU-Auslastungen kontrolliert und am Prüfungstag von 6 bis 15 Uhr als Projektleiter alles beaufsichtigt.
Aber auch die frühe Beschäftigung der Lernenden mit der digitalen Prüfungsumgebung, etwa in diversen Schularbeiten ab dem dritten Lernjahr, ist eine wesentliche Voraussetzung für den reibungslosen Ablauf bei der abschließenden Reife- und Diplomprüfungen, bei denen die Maturant/inn/en immerhin eine sehr lange Zeit schreibend vor dem Computer verbringen. Dieser Konditions- und Konzentrationsmarathon, der theoretisch von 8:30 bis 14:30 Uhr dauern kann, verlangt von allen Beteiligten hohe Disziplin und Aufmerksamkeit, weil ja sowohl die Prüfungsverwaltung, als auch die Prüfungsdurchführung und die Druckersteuerung sorgfältigst, korrekt und fail-safe abgewickelt werden müssen.
Anhand der Raumliste und der darin vorhandenen PCs kann Administrator Wischounig-Strucl, der im Übrigen für seine Kolleg/inn/en auch eine benutzer/innenfreundliche Kurzfassung der Bedienungsanleitung verfasst hat, während er Prüfung genau sehen, ob und wie viel Text die Kandidat/inn/en von ihren schriftlichen Arbeiten abgespeichert haben, ob es fehlerhafte PCs gibt (für die dann sofort ein Reserve-PC eingesetzt wird), oder ob Kandidat/inn/en eine standadisierte Reifeprüfung in der Tagesschule, beziehungsweise eine Berufsreifeprüfung ablegen.
Wie ist es den Maturant/inn/en bei der digitalen Deutsch-Matura 2021 ergangen?
Nun, sicherlich war es eine Prüfung unter geänderten Bedingungen und Prüfer/innen wie zu Prüfende waren gleich alert und angespannt, aber auch froh darüber, dass sie zur ihrer Abschlussprüfung antreten konnten. Mit Spannung fieberten die Prüfungskandidat/inn/en den Inhalten und Aufgabenstellungen der Themenpakete ihrer letzten Teilprüfung im Fach Deutsch entgegen.
Ohne hier auf die drei Themenpakete „Literatur – Kunst – Kultur“, „Medien“ und „Individuum und Gesellschaft“ näher eingehen zu wollen, sei doch – fast logisch klingend – zusammengefasst, dass die meisten Maturant/innen an der HTL sich für das Thema „Medien“ und somit auf die Erörterung des Interviews mit dem Autor Rolf Dobelli zum Thema „Der Konsum von ‚Breaking News‘ ist unnötig“ einerseits, sowie auf die Zusammenfassung des Berichtes von Alexander Fanta in der „Fruche“ zum Thema „Roboterjournalismus – Journalismus ganz ohne Journalisten“ entschieden haben.
Das Dashboard macht Textfortschritte sichtbar
Bei dieser Aufgabenbearbeitung waren zwei Texte zu 540 – 660 und zu 270 – 330 Wörter zu schreiben. Dass dies den Kandidat/innen auch sehr flüssig gelang, zeigte eine Abfrage über das Dashboard, die zeigte, dass nach ungefähr drei Stunden bereits sehr viel Text geschrieben und abgespeichert worden war – so konnte man z. B. am Dashboard für Raum 117W sehen, dass die dort befindlichen 15 Schüler/innen bereits um die 75KB Word-Text auf ihren PCs 705 – 720 abgespeichert hatten.
Es ist hier wohl auf das seit dem III. Jahrgang regelmäßig praktizierte Training in Schularbeiten zurückzuführen, dass die Maximalzeit von sechs Stunden unterschritten wurde und die Prüflinge ihre Arbeitsaufgaben ohne große Nervosität strukturiert und themenzentriert durchführen konnten.
Schüler/innen empfinden die Prüfung am Computer sehr positiv
Nach Beendigung ihrer Prüfung habe ich mit einigen Schüler/innen gesprochen und sie gefragt, was denn die Vor- und Nachteile des Schreibens der Deutsch-Maturaarbeit am Computer wären und die Antworten verwundern nicht:
„Das digitale System ist super – man kann seine Fehler leicht korrigieren, man kann immer wieder neue Gedankengänge an beliebigen Stellen des Texts einfügen und man hat immer den totalen Überblick über den Text!“ – Fast enthusiastisch kommentiert ein sich selbst als „guten Schüler“ bezeichnender Informatiker die Möglichkeit, die Prüfung so abzulegen.
„Meine schlecht leserliche Handschrift hat mich wahrscheinlich schon mehrmals eine bessere Note in Tests oder Schularbeiten gekostet – ich bin daher sehr froh, dass ich die Deutsch-Arbeit am PC schreiben kann“, meint ein Maturant, der so auch das eigene Geschriebene leichter lesen kann und sich so weniger Sorgen um seine Noten macht.
„Der Hauptvorteil ist, dass man den Aufbau der Arbeit, die Themenentwicklung und die Argumente, die man hinschreibt, besser überblicken kann – außerdem ist man viel schneller als mit der Hand“, ist eine Schülerin der Gesundheits- und Biomedizintechnik davon überzeugt, dass digitale Prüfungsumgebungen möglichst bald in allen Schulen und Prüfungsgegenständen flächendeckend eingesetzt werden soll.
Die Meinung der Lehrenden? Einstimmig begeistert.
Alle prüfenden Deutsch-Kolleg/innen sind sich einig, dass das digitale System nur Vorteile mit sich bringt: „Anfangs dachten wir, dass die Handhabung komplizierter sein würde, aber mit dem oftmaligen Wiederholen kam auch die Sicherheit im Umgang mit dem System“, lautet das Feedback der Lehrkräfte, die sich eine schriftliche standardisierte Deutsch-RDP in handschriftlicher Form nicht mehr vorstellen wollen.
„Die Arbeiten sind jetzt in ihren Fomaten standardisiert, wir können sie leichter lesen und sind auch schneller beim Korrigieren. Man ärgert sich auch nicht mehr über eine „schlechte Schrift“ oder über Wörter, die man nicht lesen kann und im Zweifelsfall wahrscheinlich als Fehler anstreicht“, berichtet eine erfahrene Kollegin, die bereits viele Deutsch-Arbeiten bei der Reife- und Diplomprüfung korrigiert hat.
Fazit: Volle Empfehlung für digitale Prüfungsumgebungen – bundesweit.
Die Einführung und die Nutzung von digitalen Prüfungsumgebungen stellen also allem Anschein nach nicht nur bei der Matura eine tatsächliche Win-Win-Situation für Schüler/innen und Lehrer/innen dar und sollten daher auch bundesweit ausgerollt werden.
Sicherlich gibt es in den Bereichen Englisch, Mathematik und Fachtheorie noch (lizenztechnische) Hürden, die überwunden werden müssen – die positiven Rückmeldungen aller Beteiligten an der aktuellen, noch dazu von COVID-19 überschatteten, Reife- und Diplomprüfung aus Deutsch sollten aber dazu ermutigen, den bislang erfolgreichen Weg der digitalen schriftlichen Prüfungen weiter zu beschreiten und so die bereits zur Verfügung stehende, arbeits- und energiesparende Technologie nutzbringend einzusetzen.
Die überzeugenden Schilderungen des Mehrwerts von digitalen Prüfungsumgebungen (und vielleicht auch bald der digitalen Leistungsbeurteilung) durch alle Beteiligten zeigt, dass autonome Schulen, die sich an solchen Pilotprojekten beteiligen, sich auch des Benefits für alle Beteiligten erfreuen und damit sowohl die Schul- als auch die Unterrichtsqualität steigern können.