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IQS-Direktor Robert Klinglmair im Gespräch
Dr. Robert Klingmair über seine Tätigkeit als Leiter des Instituts des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen (IQS), die Aufgaben des IQS sowie die Zielsetzungen für die nächsten Jahre.
Seit vergangenem Juli ist das „Institut des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen“ – kurz „IQS“ – Ihre neue Wirkungsstätte. Wie geht es Ihnen in Ihrer neuen Funktion und wie kam es überhaupt dazu?
Meine – nicht zuletzt aufgrund des Krisenmanagements während der letzten beiden Schuljahre herausfordernde und zeitintensive – Tätigkeit als Bildungsdirektor habe ich mit großer Leidenschaft ausgeübt, konnte Aufbauarbeit in der Entstehung der neuen Bund-Länder-Behörde leisten und gemeinsam mit dem Team der Bildungsdirektion für Kärnten mit zahlreichen Projekten und Initiativen einen Beitrag in dem auf über zehn Jahre angelegten Bildungsreform-Marathon leisten. Eigentlich naheliegend, diese Aufgabe über die gesamte Funktionsperiode von fünf Jahren (und vermutlich darüber hinaus) auszuführen. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Mit der Eingliederung des ehemaligen BIFIE als nachgeordnete Dienststelle in das BMBWF wurde bereits im Juli 2020 mein Interesse geweckt. Als ich schließlich den Ausschreibungstext für die Leitung des IQS studiert habe, war mir schnell bewusst, dass ich mich für diese Stelle bewerben muss – eine solche Chance kommt vermutlich nur einmal im (Berufs-)Leben. Natürlich ist mir die Entscheidung nicht leichtgefallen ist, war doch die Bildungsdirektion ein bisschen mein Baby.
Wie sieht die interne Organisation dieses großen neuen Instituts aus? Wie viele Abteilungen gibt es und wie viele Personen arbeiten am IQS – und was sind ihre Hauptaufgaben?
Am IQS sind insgesamt rund 130 Mitarbeiter/innen tätig. Das Institut ist in drei Abteilungen untergliedert, zwei davon sind im wissenschaftlichen Bereich aktiv. Dazu gibt es noch Stabsstellen mit eigenen Aufgabenbereichen. Zu den Hauptaufgaben des Instituts zählt vor allem die Mitwirkung am Bildungsmonitoring und an Maßnahmen der Qualitätssicherung, insbesondere an nationalen und internationalen Schülerinnen- und Schülerleistungsmessungen und Erhebungen. Weiters gehören die Mitwirkung an der Qualitätsentwicklung im Schulsystem sowie die Durchführung von Analysen und Bereitstellung von Evidenzen für bildungspolitische Entscheidungen und für die Schulverwaltung zum Portfolio. Das IQS ist auch in die Bildungsberichterstattung im Zusammenhang mit dem nationalen Bildungsbericht involviert.
Mit der Bildungsreform gewann auch die Schul- und Unterrichtsqualität ständig an Bedeutung – ein einheitliches Qualitätssystem, der Qualitätsrahmen zur Sicherung der Bildungsqualität, sowie die Schulqualitätsmanager/innen, wurden eingeführt – wieso brauchen wir also noch das IQS?
In Österreich ist nur das IQS aufgrund seines spezialisierten Know-hows und der aufgebauten hochkomplexen Testinfrastruktur sowie der umfassenden Kenntnis von Schulen und Schulbehörden in der Lage, bildungspolitisch vereinbarte Maßnahmen in den Bereichen Schülerleistungsmessungen und Kompetenzentwicklung zeitnah, datensicher und ohne unnötige Störung des regulären Schulbetriebs durchzuführen. So profitierten zuletzt rund 90.000 Schüler/innen pro Jahr von Rückmeldungen zu ihren erbrachten Leistungen.
Das IQS baut dabei auf eine langjährig bewährte Netzwerkexpertise und Leistungs- und Kompetenzmessungsexpertise in speziellen und spezifischen (Test-)Domänen sowie wissenschaftlichen Erhebungs- und Verfahrensmethoden auf, die in Österreich einzigartig ist. Die Expertise ist auf höchstem internationalem Niveau, die angewandten Verfahren und Methoden von Erhebungen und Studien zur Generierung von Bildungsdaten und -statistiken wurden wissenschaftlich weiterentwickelt, wodurch wissenschaftliche Verfahren des IQS auch über die Grenzen Österreichs hinweg eingesetzt werden.
Mit dem IQS wurde die Basis für eine noch wirksamere und praxisnähere Nutzung der im Rahmen nationaler und internationaler Leistungsmessungen gesammelten Daten und Evidenzen für Qualitätssicherungsprozesse im österreichischen Schulwesen geschaffen. Dadurch kann auch das BMBWF bei der evidenzinformierten Steuerung und Entwicklung des österreichischen Schulwesens noch effektiver unterstützt werden.
Evaluierungsprozesse an Schulen werden mit verschiedenen Schlagwörtern in Verbindung gebracht, wie u.a. Evidenzbasierung, Bildungsmonitoring, wissenschaftliche Begleitung, Bildungsökonomie und Chancengleichheit. Könnte man darin die Grundlagen für den Mehrwert erkennen, den das IQS für das österreichische Bildungssystem einbringt?
Ja, die genannten Schlagwörter stehen in unmittelbarer Beziehung zueinander und haben natürlich Einfluss auf das Handeln des IQS. Eine Herzensangelegenheit von mir ist es, dass die Chancengleichheit, die bereits in unserer Bundesverfassung verankert ist, in Österreich verbessert wird. Mit dem Start der individuellen Kompetenzmessung iKMPLUS im Schuljahr 2021/22 werden Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern rasch eine Rückmeldung bekommen, was die Schülerin oder der Schüler gut kann und wo es noch Nachholbedarf gibt. Damit können Schüler/innen gezielt gefördert werden, und Lehrer/innen erhalten zudem wertvolle Rückmeldung zur Unterrichtsplanung und -entwicklung. Ich bin fest überzeugt davon, dass die iKMPLUS einen wesentlichen Beitrag zur Chancengerechtigkeit leisten wird, wenn es gelingt, die Ergebnisse nachhaltig zu nutzen.
Was sehen Sie als Bildungsforscher und Volkswirtschaftler als wichtigste Ziele in der Schulentwicklung an?
Der Schlüssel zur Verbesserung der Schul- und Unterrichtsentwicklung und damit auch der Chancengerechtigkeit liegt sicherlich in einer vermehrt evidenzinformierten Steuerung des Schulsystems. Mit der Bildungsreform das Jahres 2017 wurden die entsprechenden Weichen für die Zukunft gestellt und das IQS ist – mit dem spezialisierten Know-how und den systematisch erhobenen Evidenzen – ein zentraler Baustein dieses Prozesses, um grundlegende Informationen für die bildungspolitischen Entscheidungsträger/innen bereitzustellen. In gesamtheitlicher Betrachtung und aus Sicht der Bildungsforschung muss es das vorrangige Ziel sein, den Mehrwert der bereits vorliegenden – und zukünftig etwa mit der iKMPLUS generierten Daten – bis in die einzelnen Klassenzimmer transparent und bewusst zu machen, um diese Befunde auch in der täglichen Schulpraxis zu nutzen und gezielte und frühzeitige (Förder-)Maßnahmen abzuleiten, die einem vorzeitigen Verlassen des Bildungssystems und den damit verbunden individuellen Auswirkungen von Bildungsarmut vorbeugen.
Gerade angesichts des demographischen Wandels muss der Fokus darauf liegen, die soziale Durchlässigkeit des Bildungssystems zu erhöhen, ohne dass am oberen Ende des Leistungsspektrums Verschlechterungen beim Zugang zu Bildung eintreten. Gelingt es einerseits die Zahl der bildungsfernen Jugendlichen weiter zu reduzieren, andererseits die Schulleistungen und Kompetenzen am Ende der Pflichtschule – unabhängig von der sozialen Herkunft – zu verbessern, werden, neben den Jugendlichen selbst, auch der Hochschul- und Wirtschaftsstandort Österreich sowie die Gesellschaft insgesamt davon profitieren.
Über welche erfolgreichen Entwicklungsschritte des IQS wollen Sie in 5 Jahren berichten können?
In fünf Jahren soll die iKMPLUS ein etabliertes Instrument darstellen, das aus Schulen nicht mehr wegzudenken ist, weil Lehrer/innen, Schüler/innen und Schulaufsicht aufgrund der erhaltenen Rückmeldungen – und natürlich auch den damit verbundenen Möglichkeiten – davon positiv überzeugt sind und es in der täglichen Praxis nutzen. Ob auf individueller Ebene oder bei Analysen auf Systemebene – von den mit der iKMPLUS regelmäßig gewonnenen Informationen soll ab 2026 das gesamte Schulwesen profitieren.
Ein Mehrwert soll sich auch aus Kooperationen mit anderen im Bildungsbereich tätigen – teils internationalen – Institutionen ergeben. In fünf Jahren möchte ich auf eine Reihe von erfolgreichen Kooperationen zurückblicken, die auf dem gegenseitigen Austausch von Informationen und Know-how basieren, und zur Weiterentwicklung des österreichischen Schulwesens beitragen. Damit soll sich das IQS auch in der wissenschaftlichen und bildungspolitischen Community etabliert haben.
Abschließend noch Ihre Vision zum idealen Arbeitsplatz – sind Sie schon dort angekommen?
Der ideale und perfekte Arbeitsplatz ist für mich persönlich kein Beruf, sondern eine Berufung. Eine Tätigkeit, die sich nicht nach Arbeit anfüllt, sondern eine ist, der man mit Leidenschaft nachgeht, in der man aufgeht, die auch Spaß macht. Vor allem aber sollte der perfekte Arbeitsplatz erfüllend sein, weil man einen gesellschaftlichen Beitrag leisten darf und die Chance bekommt zu gestalten, anstatt nur zu verwalten. Auch wenn die berühmten „ersten 100 Tage“ in meiner neuen Funktion noch kein Indikator für die Zukunft ist, bin ich am IQS gut angekommen und bin der Überzeugung, dass ich einen noch größeren Beitrag für das Bildungssystem leisten kann, als dies in meiner Funktion als Bildungsdirektor in Kärnten möglich war. Demnach habe ich den Wechsel keine Sekunde bereut und die Entscheidung fühlt sich richtig an – trotz oder vielleicht gerade wegen der Herausforderungen, die noch vor mir liegen.